piwik no script img

Widerstands-bekämpfung-betr.: "U-Haft wegen vertraulichem Du", taz vom 4.1.89

betr.: „U-Haft wegen vertraulichem 'Du'“, taz vom 4.1.89

Der Artikel transportiert den völlig falschen Eindruck, als würde die Bundesanwaltschaft (BAW) mit dem Stuttgarter Verfahren die RAF meinen und in Uli Winterhalter den „unschuldigen“ Falschen treffen - versehentlich sozusagen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die BAW betreibt mit dem Stuttgarter Verfahren Widerstandsbekämpfung, indem sie fünf legal lebende GenossInnen (darunter Uli) mit dem Etikett „RAF-Mitglied“ versieht - allerdings absichtsvoll.

Daß die BAW absichtsvoll handelt, erschließt sich allein schon aus der Anwendung des Zirkelschluß‘ als „Beweismethode“. Die Tatsachen - Besitz von Zeitungsarchiven, Wanderkarten, des Narkosemittels „Ketanest“, Briefkontakt mit Gefangenen aus der RAF, Teilnahme an Diskussionen auch ohne Hinzuziehung von Observateuren -, diese schlichten Tatsachen belegen den Vorwurf der „Mitgliedschaft in der RAF“ nur, wenn das zu Beweisende als Faktum vorausgesetzt ist - also gar nicht.

Welche besondere Absicht die BAW verfolgt, erschließt sich aus einem Verfahrensdetail, das neu ist. Im Unterschied zu allen laufenden und vorausgegangen Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ will die BAW diesmal ganz ohne die Behauptung eines Zusammenhangs mit einer bestimmten, in der Vergangenheit liegenden militanten Aktion („Katalogtat“ nach § 129a StGB) auskommen.

Wenn ihr dies gelingt, so kann sie künftig Widerstandsbekämpfung beliebig in ihre Zuständigkeit bringen. Die laut BAW hinreichenden Merkmale für die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“: die „subjektive Tatseite“ (gemeint ist die Gesinnung, zum Beispiel die in einer Diskussion oder einem Brief geäußerte politische Nähe zum militanten Kampf) und das „konspirative Verhalten“ sind bei jeder/m schnell zusammen addiert, die beziehungsweise der den Kapitalismus oder ein zentrales staatliches Projekt bekämpft. Weder die Notwendigkeit immer prekär bleibender „Tatnachweise„-Konstruktionen noch die Anzahl der zurückliegenden, tatsächlichen militanten Aktionen setzen der Eröffnung und Ausdehnung von Verfahren wegen „Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung“ länger eine Grenze. Die daraus folgenden Auswirkungen auf die Verfolgten - von der Telefonkontrolle bis zur Anwendung des „24-Punkte-Programms“ bei Verhafteten - sind weitgehend bekannt.

Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen. Aber es wäre nicht zum ersten Mal in der Geschichte der BRD, daß Hunderte politischer Gefangener die Knäste (und in Zukunft die Trakte) bevölkern. Und außerdem: Die BAW praktiziert in dem Stuttgarter Verfahren wegen „Mitgliedschaft...“ lediglich, was Generalbundesanwalt Rebmann bereits mehrfach propagierte; nämlich die Ausdehnung des Mitgliedschaftsvorwurfs auf ganze Szenen. Sowohl die Besetzung der Hamburger Hafenstraße, wie der Düsseldorfer Kiefernstraße, wie die Berliner Anti-IWF-Aktionen hat Rebmann im Laufe des vergangenen Jahres als RAF-gesteuert bezeichnet. (...)

Unterstützungskomittee

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen