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Nicaraguas Opposition marschiert vereint

10.000 demonstrieren in Managua gegen die sandinistische Regierung / Erste Oppositionskundgebung seit einem halben Jahr / Kommunisten marschieren mit Unternehmerverbänden und Konservativen / Protest richtet sich gegen Wirtschaftskrise  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Violeta Chamorros Stimme bebte vor Ergriffenheit, als sie am Sonntag vor dem Protestmarsch das Wort ergriff. Der Verlegerswitwe war es gelungen, die Mehrzahl der Oppositionsparteien zu einer gemeinsamen Großdemonstration gegen die regierenden Sandinisten und die Wirtschaftskrise zu bewegen. Anlaß war der elfte Jahrestag der Ermordung ihres Ehemanns Pedro Joaquin Chamorro, der seinerzeit zur einigenden Figur gegen den Diktator Somoza geworden und in dessen Auftrag liquidiert worden war. Deswegen wird der illustre „Märtyrer der bürgerlichen Freiheiten“ heute von Sandinisten und Opposition gleichermaßen vereinnahmt.

Rund 10.000 Demonstranten marschierten schließlich zum Westfriedhof von Managua, wo Chamorro und auch der christdemokratische Gewerkschafter Luis Medrano Flores liegen, dessen Ermordung sich zum zehnten Male jährte. „Der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen als Tag, an dem die Einheit Nicaraguas begonnen hat“, rief Myriam Argüello, die Führerin einer der konservativen Parteien, in den Lautsprecher. Doch noch steht die oppositionelle Einheit nicht.

Zwar riefen 13 Parteien, fünf Gewerkschaftsdachverbände und der Privatunternehmerverband COSEP zur Demonstration auf, doch wurden die Widersprüche schon rein optisch deutlich: zwischen den beiden konservativen Parteien, die unter dem grünen Banner marschierten, reihten sich drei andere Fraktionen ein, und zwischen den rivalisierenden Gruppen der Christlich-Sozialen Partei (PSC) liegen mehr als hundert Meter. Dennoch waren die Veranstalter, die zwischen 30.000 und 50.000 Teilnehmer gezählt haben wollen, mit dem Ergebnis zufrieden.

„Viele glauben, diese Aktionseinheit hat keine solide Basis“, wetterte der Kommunistenführer Eli Altamirano, der für Nicaragua die Gesetze des Klassenkampfes außer Kraft setzte: „Hier gibt es keine Widersprüche zwischen den einzelnen Parteien, nicht einmal zwischen den unterschiedlichen Klassen: auf der einen Seite haben wir eine Militärdiktatur, Krieg, Rückschritt und eine integrale Krise, auf der anderen Seite den nationalen Kampf um Demokratie, einen würdevollen Frieden, wirtschaftliche Stabilität und sozialen Fortschritt.“

Die Manifestation zog sich über Stunden hin, weil die Anführer jeder Gruppe zu Wort kommen wollten. Der Inhalt der Ansprachen war untereinander nicht abgesprochen, außer der Verabredung, „daß keiner den anderen angreift. Das ist schon ein Fortschritt“, kommentierte einer der Parteiführer. Die einen, die sich „Gruppe der Fünf“ oder auch Demokratisches Zentrum nennen, fordern die Fortsetzung des im Vorjahr unterbrochenen nationalen Dialogs und rüsten sich für die Wahlen 1990, die anderen, die erzkonservativen Gruppen im Umfeld der „Coordinadora Democratica“, sprechen von einem Referendum über den Verbleib der Sandinisten nach dem Vorbild Chiles und rufen zur Bildung einer „Regierung der nationalen Rettung“ auf. Alle machen sie die sandinistische Regierung für die Wirtschaftsmisere verantwortlich.

Die Polizei hatte strengen Auftrag, nicht einzuschreiten, und beschränkte sich auf die Umleitung des Verkehrs. Bei diesem ersten nennenswerten Auftritt seit der letzten großen Oppositionskundgebung von Nandaime im Juli letzten Jahres hatten die Parteijugendlichen darauf verzichtet, Steine, Schlagstöcke und Macheten mitzubringen. Der Niedergang der Contra als politisch-militärische Kraft und die Erfahrungen von Nandaime haben einen Prozeß des Umdenkens bei der Opposition ausgelöst. In Nandaime hatten sich die Marschierer der Rechtsparteien mit der schwer bewaffneten Polizei eine Straßenschlacht geliefert. Erstmals wurde Tränengas eingesetzt und über 30 Personen wanderten hinter Gitter. Die Hauptangeklagten, darunter Carlos Huembes, der Präsident der Coordinadora Democratica, und die Konservative Myriam Argüello wurden vor wenigen Wochen wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Körperverletzung zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die Regierung hatte im Gefolge von Nandaime den US-Botschafter Richard Melton und sieben weitere Botschaftsfunktionäre, die Kontakte mit der Opposition pflegten, ausgewiesen. Wenige Tage vor dem jüngsten Marsch berichteten die sandinistischen Medien über angebliche Streitereien um die Dollars, mit denen die US -Botschaft diese Demonstration finanziert haben soll. Die Oppositionellen dementierten den Empfang von derartigen Geldern. Seit Oktober letzten Jahres stellt ein Gesetz die Entgegennahme von Geldern aus Fonds, die aus Reagans „humanitärer Hilfe“ für die Contras stammen, unter Strafe.

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