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Atemberaubende PlAttraktionen

■ Mit altbackenem Alt-Herren-Conferencier-Charme durch Workshop-Feurspuck-Techniken zur „Königin der Lüfte“: der Staatszirkus der DDR war in Oldenburg nicht ganz so klasse wie die Ankündigungen versprachen

Das ist schon so eine Sache mit allzu hoch geschraubten Erwartungen: „Artistische Spitzenleistungen höchster Perfektion“, „Atemberaubende Attraktionen der internationalen Spitzenklasse am laufenden Band“, „Zwerchfellerschütternde, umwerfend komische Clowns“, „Circensiche Sensationen auf allerhöchstem Niveau“ - so und ähnlich wurde der Staatszirkus der DDR in Oldenburg angekündigt. Aber was die ZuschauerInnen am Dienstag nachmittag in der nur mäßig besuchten Weser-Ems-Halle erlebten und freundlich mit zurückhaltendem Applaus bedachten, riß kaum jemanden wirklich vom Stuhl.

Nahezu unerträglich wirkte der Altmänner-Charme des Conferenciers Günther Krause („Ich habe mit meinen Zähnen keine Probleme; wir schlafen seit zwei Jahren getrennt.“). Und die Tatsache, daß einige Artisten gleich mehrere Nummern bestritten, erinnerte an die kleinen, armen Zirkusse, die sommers als Familienbetriebe über die Dörfer tingeln: Die Dompteuse in der Bärennummer war gleichzeitig die „Königin der Luft„; die „Amados„mit ihren ganz netten Lasso- und Peitschenspielen stellten außerdem das „Duo Fatima“, dessen besondere Spezialität diese Feuerspukkertechniken sind, die man in jedem Wochenend-Workshop für Artistik lernen kann, und die

„Hobby Hoppers“ (naja, ganz witzig, aber so oder ähnlich schon so oft gesehen...) waren gleichzeitig auch die allerdings wirklich überragenden „Rialtos“ mit ihren tollkühnen Schleuderbrettsprüngen.

Beachtung verdient allenfalls noch die Raubtiernummer von Peter und Katjana Stanik, die respektvoll-partnerschaftlich mit ihren Raubkatzen umgingen. Das besondere dieser Darbietung wa

ren außerdem die beiden riesigen Liger - eine wohl sehr seltene Kreuzung aus Löwe und Tiger.

Der Staatszirkus der DDR besteht eigentlich aus drei Zirkussen: Aeros, Berolina und Busch. Für die allererste Gastspielreise durch 24 Städte der Bundesrepublik hatten die Verantwortlichen zusammen mit dem Generaldirektor des Staatszirkus der DDR, Gerhard Klauss, ein Programm zusammengestellt, das einen re

präsentativen Querschnitt der DDR-Zirkuskunst vorzustellen versprach.

Der Fundus des DDR-Staatszirkus verfügt unter anderem über etwa einhundert Pferde, zehn Elefanten und zwölf Reptilien. Nur sahen die ZuschauerInnen kein einziges Pferd, nicht einen Elefanten und auch kein Reptil. Und wieso verzichtete man - trotz anderslautender Ankündigungen - nahezu gänzlich

auf Komik, die doch eigentlich untrennbar mit dem Zirkus verbunden ist - nicht nur in den Augen der Zirkusbesucher -Kinder. Was die beiden Jongleure „Frank und Andy“ zwischen den einzelnen Nummern als Komik oder Clownerie ausgaben, war nun wahrlich nicht zum Lachen, sondern wirkte eher so müde und bemüht wie auf einem Betriebsfest von Sparkassenangestellten. Das Gastorchester Jozef Czechowski aus Polen spielte dazu gelangweilt und lustlos daher, ohne jeglichen Pep.

Nein, Routine sei die Arbeit im Zirkus niemals, wurde mehrfach betont. Seit dem 1. Dezember sind die über achtzig Mitwirkenden mit ihrem Troß ununterbrochen unterwegs. 8.500 Kilometer haben sie in dieser Zeit zurückgelegt, meistens haben sie zweimal pro Tag gespielt. Die Vermutung drängt sich auf, daß eine geschicktere Zusammenstellung des Programms und der Tourneedaten einen wesentlich positiveren Gesamteindruck bei den bundesdeutschen ZuschauerInnen hinterlassen hätte.

„Laß niemals zu, daß du jemandem begegnest, der nach der Begegnung nicht sagen kann, daß ihn die Begegnung gefreut hat“, zitierte der Conferencier zu Beginn der Vorstellung den Schriftsteller und Philosophen Ernst Bloch. Tja, was soll ich dazu sagen?

Kai Engelke

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