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KSZE: Prag weist Kritik zurück

■ CSSR-Außenminister: Kritiker sollen vor eigener Tür kehren / Bundesaußenminister Genscher bezeichnet auf KSZE-Folgekonferenz in Wien die Mauer in Berlin als Anachronismus

Wien/Berlin (dpa) - Der tschechoslowakische Außenminister Jaromir Johanes hat die westlichen Kritiker an der jüngsten Zerschlagung von Demonstrationen in Prag am Mittwoch aufgefordert, „nicht mit Fingern auf andere zu zeigen“ und zuerst „vor der eigenen Tür zu kehren“.

Die Regierung der Tschechoslowakei habe die KSZE -Bestimmungen „immer in konsistenter Weise angewendet und in kreativer Form entwickelt“, keine Regierung könne „jedoch Störungen der gesetzlichen und öffentlichen Ordnung tolerieren“, sagte Jaromir Johanes auf dem Außenministertreffen zum Abschluß der Wiener KSZE -Folgekonferenz.

Die Tschechoslowakei wolle mit ihrem Vorschlag zur Schaffung einer Zone der Demilitarisierung, des Vertrauens und der Zusammenarbeit an der Grenze der beiden militärischen Bündnisse einen Beitrag zu den Bemühungen um mehr Sicherheit auf dem Kontinent leisten und freue sich, daß dieser Vorschlag auf Interesse stoße. Johanes verwies auch auf den gemeinsamen Vorschlag von DDR und Tschechoslowakei, einen atom- und chemiewaffenfreien Korridor durch Europa zu legen.

In einer grundsätzlichen Rede zum Friedensprozeß in Europa durch Entspannungspolitik hatte Bundesaußenminister Hans -Dietrich Genscher zuvor erklärt: „Was in den letzten Tagen in Leipzig und Prag gegen friedliche Demonstranten geschah, darf sich nicht wiederholen.“ Zu den künstlichen Trennungen in Europa gehöre auch das anachronistische Relikt der Berliner Mauer, so Genscher. Auf der Rednerliste stand gestern noch der rumänische Außenminister; bis Redaktionsschluß hatte er jedoch noch nicht das Wort ergriffen.

Als erste DDR-Zeitung hat am Mittwoch die Ost-'Berliner Zeitung‘ das Ergebnis der Wiener KSZE-Folgekonferenz kommentiert. Dabei wird vor allem auf die Vereinbarungen auf dem Gebiet der Sicherheit hingewiesen. Die im Abschlußdokument enthaltenen Aussagen zum Bereich Menschenrechte und Grundfreiheiten werden dagegen nicht erwähnt. Unter anderem verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten, den Abbau des Mindestumtausches in Erwägung zu ziehen. Auch das Recht eines jeden auf Freizügigkeit und auf Ausreise aus jedem Land wurde festgehalten.

Die DDR-Zeitungen berichteten auf ihren ersten Seiten über das am Dienstag begonnene Außenministertreffen. Die kritischen Äußerungen des amerikanischen Außenministers George Shultz und dem britischen Außenminister Sir Geoffrey Howe zur DDR und ihre Forderung nach der Beseitigung der Berliner Mauer werden nicht erwähnt.

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