Ein Schönhuber für 600 Berliner

■ „Republikaner„-Veranstaltung im ICC: Eine Organisation müht sich, nichts mit Nazis zu tun zu haben, aber als Partei der Polizisten zu gelten / Die ungebetenen unter den Gästen sorgten nur für wenig Turbulenz

Auf den ersten Blick könnten sie auch zur Veranstaltung mit Willy Brandt wollen, die da am ICC-Südeingang warten. Ein paar gestylte Jugendliche sind dabei, vor allem Jungs, und sehr viele ordentlich gekleidete Paare in den Dreißigern. Überraschend, wie deutlich es nach Parfüm und Deo riecht. Bei den älteren Besuchern überwiegen wieder die Männer.

„Wenn die mir die Hose abtasten, glauben die, ich trage 'ne Eierhandgranate!“, erheitert ein Fünfzigjähriger seine Umgebung. Doch die Einlaßkontrollen sind nicht sonderlich scharf, nur auf die Eintrittskarten mit dem „Republikaner„ -Emblem achten die Ordner genau. „Der sieht doch aus wie einer von der HJ!“, sagt halblaut einer, dessen strubbelige Haare sich von den ordentlichen Frisuren der anderen abheben. „Guck doch mal, wie Du aussiehst“, kontert ein Mann unter schallendem Gelächter. Als wenn er nur darauf gewartet hätte, daß irgendein Stichwort für ihn fällt, zischt ein kleiner blasser Alter: „Die Zeiten der Auschwitz -Lüge sind jetzt vorbei.“ Keine Reaktion der Umstehenden; alle drängeln jetzt zur Tür.

Eilig streben sie zum Saal 3. Ein Mann bindet sich gleich den Schlips mit dem Emblem der „Republikaner“ um, der an einem Tisch verkauft wird. Daneben liegen zwei Bücher des Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber, seine verklärten SS -Erinnerungen Ich war dabei und der Band Trotz allem Deutschland. Schönhuber ist das Zugpferd für diese zentrale Wahlkampfveranstaltung des Landesverbandes.

Langsam füllt sich der Saal, in dem dezentes Grau von Stoff und Metall dominiert. Musik dudelt. Ein paar selbstgefällige Bayern wundern sich: „Ein Großaufgebot von Presse habt's ihr hier.“

Da springt einer auf und schreit ins Publikum: „Was wollt ihr hier? Sind 40 Jahre nicht genug?“ Schlagartig wechselt die Stimmung, erregte Rufe, viele springen hoch, Ordner bedrängen ihn. Die Scheinwerfer der Kamerateams leuchten auf. Ein Besucher donnert durch den Saal: „Du Nazi!“ Verwirrt schauen sich einige Besucher an. Der Störer, im Besitz einer Eintrittskarte, darf bleiben, zwei Ordner stellen sich neben seinen Sitz, wieder kehrt Ruhe ein. Auch die Bayern widmen sich wieder ihrer Haupttätigkeit: Leute anschauen. „Du, der hat eine Frisur wie der Heß“, sagt ihr Wortführer sachkundig. Nur noch ein paar Plätze sind jetzt leer, rund sechshundert Neugierige sind gekommen.

Dann geht es endlich los, das Licht im Saal erlischt. Ein Scheinwerfer ist auf Schönhuber gerichtet, als er den Saal durchquert. Lokalmatador Andres läuft hinter ihm, ist aber kaum zu erkennen. Großer Beifall für den Bayern, einzelne applaudieren ihm stehend. Spitzenkandidat Bernhard Andres macht das Vorprogramm.

Dessen Ansprache ist nur kurz. Entlang der Partei-Initialen stellt der Polizist mit dem dichten Schnäuzer die REPs als „rechtsstaatlich, ehrlich, patriotisch“ dar, vor allem aber als Partei der Polizisten. Die leeren Sitzplätze haben für Andres „Symbolik“: Hier seien Leute nicht aus Angst zu Hause geblieben, sondern dienstlich verhindert. „Alles, was Uniform tragen kann, steht heute draußen und schützt die Republikaner!“ Zum SPD-Wahlplakat mit der Punkerin und dem Polizisten merkt er an: „Man möge nur mal rausschauen, wieviel Beamte mit den Leuten da draußen Pommes Frites essen!“

Andres spricht frei und müht sich nach Kräften, sympathisch und souverän zu wirken. Verkrampfter ist da eher noch das Publikum: Als er das Wiedervereinigungsverbot des Grundgesetzes erwähnt, wird nur zögerlich geklatscht.

Ein solcher Versprecher kann Schönhuber nicht passieren, dem Routinier „mit über 30jähriger journalistischer Erfahrung“, der so gerne ein deutscher Jean-Marie Le Pen sein will. Schönhuber, früher SS-Mitglied und Fernseh-Mann des Bayrischen Rundfunks, langt gleich in die Vollen und macht es allen recht. Zum Wahlspot: „Erst strahlt ihn der SFB aus. Dann kommt der Rundfunkrat, an der Spitze die jüdische Kultusgemeinde“ - „Pfui„-Rufe unterbrechen ihn „...und siehe da, alle fallen wieder um!“ „Nazis raus!“ ruft ein ungebetener Besucher. Schönhuber: „Wenn uns einer Nazis nennt, wird er rausgeschmissen!“ Das gelingt den Ordnern nicht - der Störer hat sich inzwischen angekettet. Noch einige wenige andere versuchen, für ein bißchen Trubel zu sorgen. Mit ihren Bemühungen kommen sie nicht weit; Schönhuber gibt schließlich die Parole aus: „Einfach nicht beachten.“

Auch rassistisch seien die „Republikaner“ nicht: „Wer Antisemit ist, wird in dieser Partei keine Chance haben. Aber die deutsche Geschichte ist nicht Auschwitz allein. Ich mag den Herrn Galinski nicht mögen müssen“, ruft der Tribun, und da rührt sich auch so manche Hand, die beim Bekenntnis zum Grundgesetz nicht applaudiert hat.

Natürlich ist Schönhuber „stolz darauf, ein Deutscher zu sein“, und „deutscher Kriegsteilnehmer“. Der Ausländerbeauftragten John, die die „Republikaner“ wegen des Fernsehspots angezeigt hatte, will er einen Dankesbrief schreiben: „Sie hat sich um die Sache der Republikaner verdient gemacht.“

Ungleich schlechter ist er auf die CDU zu sprechen: „Die CDU steht hier für die Feigheit des Bürgertums“, und für Sicherheit und Ordnung könne sie hier auch nicht sorgen. Langsam und deutlich sagt Schönhuber: „Es hat mich mit klammheimlicher Freude erfüllt, als ich erfuhr, daß auch schon CDU-Politiker ein paar in die Schnauze bekommen haben.“ Das Publikum johlt.

Den Ex-Innensenator Lummer fordert er zum Übertritt auf, doch spätestens hier wird deutlich, wie machtlos ein Ultimatum der Partei ist: „Wenn nicht bald ein klärendes Wort kommt, werden wir über Sie anders denken, als wir es bisher getan haben.“

Zum Schluß applaudieren fast alle im Stehen, wenn auch die Stimmung etwas verhalten bleibt - Populismus wirkt im nüchternen ICC einfach zu anachronistisch. Mit dem Deutschlandlied - dritte Strophe - geht das Treffen zu Ende. Draußen, vor dem ICC, ist es ruhig geworden. Polizei steht an allen Ecken. Nur ein graugrün bemalter LKW, Wehrmachtsmodell mit Münchner Zulassung, fährt vorüber.

Dietmar Bartz