: Nicht nur gegen Wasseradern
■ Der Dipl.-Ing. Peter Hess kommt auf Bestellung ins Haus und interessiert sich außer für Wasseradern auch für die Seele sowie für Formaldehyd und elektromagnetische Felder / „Ein putziges Gebiet“
Ein Anruf genügt. Dann kommt Peter Hess auf einen Besuch vorbei und nimmt eine „Haus-und Bettplatz-Untersuchung“ vor. Er packt fachmännisch seine metallenen Ruten aus. Und interessiert sich außer für „Wasseradern“ auch für formaldehyd-verseuchte Spanplatten, für falschverlegte Leitungen und darunter gestapelte Kisten, für die Ionen in der Luft und für die störenden Federkerne in den Matratzen und - für die Menschen, die nachts in diesen Betten wohnen.
Sein Besuch kostet zwischen 70 und 140 Mark und hat bei den AnruferInnen fast immer zur Folge, daß diese unverzüglich eines oder mehrere ihrer Betten und Sofas umstellen. Das findet Peter Hess angebracht: „Das Schlafplatz ist der wichtigste Platz im Haus und sollte auch der schönste sein. Da wo Du Ruhe findest.“ Peter Hess sagt aber auch: „Das mit dem Betten-Umstellen ist eine deutsche Variante. Bei uns wird alles verbisssen gemacht, panisch. Die Ursache einer Krankheit wird in nur einem Punkt gesucht, und dazu möglichst in einem außer einem selbst.“
Auch er selbst kam „über Krankheiten“ an die Wünschelruten. In Büchern war er immer wieder auf die Behauptung gestoßen: „Es gibt keinen Krebs ohne Wasseradern.“ Dieser These hing er aber nur kurz an: „Krebs hat eine ganze Reihe von Ursachen. Streß. Psychische Komponenten. Wie ich mit meinem Leben umgehe. Natürlich auch, welche Plätze ich mir zum Schlafen aus
suche.“
Bevor er zur Wünschelrute griff, hatte der gelernte Dipl.Ing. mit zunehmend mehr Frust arbeitskraftsparende Maschinen konstruiert und, als er davon genug hatte, BerufsschülerInnen unterrichtet. Letzteres macht er immer noch, aber nur noch sechs
Stunden in der Woche. Den Rest seiner Arbeitszeit verbringt er mit sich mehrenden Hausbesuchen (Tel. 04252/2411) und mit Lehraufträgen zum Thema „Wirkung von Baustollen, Bauformen und Baustandorten auf den Menschen“. Mit Volkshochschulkursen zum „Rutengehen“ und mit
Untersuchungen an den Tempel-und Dämonenplätze in Nepal, mit Wilhelm Reich und Bioenergie. Kurzum: Der studierte Dipl. -Ing. findet es nunmehr spannend, „sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht meßbar sind. - Ein putziges Gebiet.“
Seine zahlreichen KlientInnen teilt er ein in zwei Gruppen: In die einen, „die zum Beispiel in der Bild-Zeitung gelesen haben, daß Bett-Verlegungen Wunder wirken. Die wollen zusehen, daß sie einen schönen, nicht-krankmachenden Platz haben, damit ihnen nichts passiert, damit sie keinen Krebs kriegen.“ Einfach hat er es bei solchen Erwartungen nicht: „Ich sage schon am Telefon, das muß nicht an der Wasserader liegen. Aber ich bin bereit zu kommen. Oft ist es so, daß der Anrufer jemanden braucht, mit dem er spricht, daß vor irgendwelchen Rheuma-und Bandscheibengeschichten Trennungen gelaufen sind.“
Aber es kann auch sein, daß Peter Hess mit einer seiner Ruten eine störende Wasserader ausmacht, das sind kleine Rinnsale in einer Tiefe von bis zu 15 Metern unter der Erdoberfläche. Wasseradern können aus uralten Gesteinsverwerfungen resultieren, aber auch durch Baustellen, Deichbrüche und Bohrungen entstehen.
Die zweite Sorte seiner KlientInnen kommt über Ärzt-und HeilpraktikerInnen an Peter Hess‘ Adresse: „Es sind hauptsächlich Frauen, die ihre PatientInnen zu mir schicken, z.B. wenn
sie Energielosigkeit feststellen oder bestimmte Störungen diagnostizieren, die vom Schlafplatz herrühren können.“ Mit diesen Mittelschichts-KlientInnen hat es Hess leichter: „Die sind bereit, an sich zu arbeiten. Bereit, sich fragen zu lassen, warum sie gerade diesen Platz zum Schlafen benutzen.“
Peter Hess hat die Erfahrung gemacht, „daß es Menschen gibt, die sich immer die schlechten Plätze aussuchen.“ Und er hat nach Menschen gesucht, die die „schlechten Plätze“ instinktiv meiden. Fündig geworden ist er bei Kindern und beim Volk der Nepalis: „Wenn Kinder auf einem falschen Platz liegen, wälzen sie sich weg. Und wenn Kinder eine Rute in die Hand nehmen und noch nicht vermurkst sind durch Kindergarten, Schule und Erziehung, reagieren die Muskeln und damit die Rute sofort.“ In Nepal, wo die Menschen noch mehr „im Einklang mit der Natur leben und sensibel sind“, gibt es durch die Gesteinsverwerfungen des Himalaya viele extrem „gute“ und „schlechte“ Plätze - die einen für die „Götter“, die anderen für die „Dämonen“. Doch Ruten als Hilfsmittel, um den Charakter der Plätze auszumachen, sind völlig unbekannt. Peter Hess: „Aber wenn ich hundert Nepali eine Rute in die Hand drücke, und das habe ich gemacht, funktioniert die Rute bei nahezu hundert. Die Leute sind halt noch sensibel.“ Und dann sagt er wieder mit einem Lächeln: „Das ist eben ein putziges Gebiet.“
B.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen