: Der Neue Milde
■ Bernhard Lassahn las Donnerstag in Oldenburg etwas Satirisches zwischen Protest und Punk vor
Für die 68er-APO ist er noch zu jung gewesen, für heutige Freakereien schon wieder zu alt. Und trotzdem (oder gerade deshalb ) ist es das Zeitalter zwischen Protest und Punk, das der in Hamburg lebende Schriftsteller Bernhard Lassahn in ironisch-satirischer Weise bevorzugt karikiert und literarisch seziert. Mit dem „neuen Milden“, wie ihn der Nonsense-König Robert Gernhardt einmal bezeichnete, hatten die rührigen Initiatoren der Casablanca -Veranstaltungsreihe „Literarisches Cafe“ wieder einmal einen guten Griff getan. Was Bernhard Lassahn am Donnerstagabend vor leider nur 30 ZuhörerInnen vortrug, war anspruchsvolle Unterhaltung in bestem Sinne.
Lassahn, der unter anderem durch seine Zusammenarbeit mit der Tommie Baier-Band bekannt geworden ist, hat nichts im Sinn mit sauertöpfischer Selbstbetrachtung, vordergründiger Agit-Prop-Literatur oder weltschmerzlerischer Betroffenheitslyrik. Seine Texte haben zwar durchweg einen ernsten Hintergrund - wie jede gute Satire - doch verpackt er seine Aussagen
so, daß das Zuhören einfach Spaß macht; hinzu kommt die erfrischend lockere, schauspielerisches Talent zeigende Vortragsweise des Autors, der offensichtlich über seine eigenen Wort-und Satzschöpfungen ebenso lachen kann, wie seine ZuhörerInnen.
Der 38jährige begann seine Lesung mit einem seltsamen, äußerst rasanten Reisebericht quer durch Europa, wobei er die jeweils landestypischen Gegebenheiten (wir erkennen unsere eigenen Vorurteile) ironisch überzeichnete und die einzelnen Sequenzen mit ensprechender Musik aus dem Kassettenrekorder unterlegte. Weiterer Schwerpunkt der Lesung waren einige Glossen. Da wurde beispielsweise die Werbung persifliert (“...die Fetzen, mit denen die öffentliche Lüge wie Werbung, Schlager, Politik ihre Blößen deckt, fliegen“, schrieb die ZEIT), die neue Modessprache entlarvt („Man fragt nicht mehr na, wie geht's? sondern na, wie läuft's? Es ist eben alles schneller geworden.“) und der ewige Verlierer liebevoll karikiert, wie in der Satire „Die Monster kommen“. Eine Lesung ohne Längen, ohne Vordergründigkeiten und Klamauk - durchgängig witzig und pointiert.
Das „Casablanca“ entwickelt sich übrigens durch ähnlich gute Angebote zum immer unverzichtbareren Kulturzentrum in Oldenburg: im dazugehörigen „Bistro“ gastieren ein-bis zweimal monatlich Jazz-Formationen der Spitzenklasse, und das „Literarische Cafe“, betreut von Schriftsteller Klaus Modick und Naturwissenschaftler Dirk Grathoff, räumt endlich einmal auch der Literatur den ihr gebührenden Platz in Oldenburg (wieder) ein. Im Februar liest Mitveranstalter Klaus Modick aus seinem bei Rowohlt erschienenen Roman „Weg war weg“ - Sorgen und Nöte eines in Oldenburg lebenden Schriftstellers.
Kai Engelke
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