piwik no script img

Mode a la Joseph McCarthy

■ Ein Kudamm-Laden für Yuffies - Young Urban Fighters

Kleider machen bekanntlich Leute. Und, so weiß eines andere Sentenz, Fälle gibt's, wo der Schein so sehr dem Sein gleicht, daß selbst der Mutigste den Mut verliert zu zweifeln. „Speedware“, das Modekonzept eines Düsseldorfer Ausstatters mit Berliner Shop am noblen Kurfürstendamm, scheint es auf diese Mutprobe angelegt zu haben.

Düsseldorf, Mode, Kürfürstendamm, ein Fall für Yuppies also? Nicht ganz, denn Speedware stylt nicht den young urban professional, sondern den young urban fighter, den Yuffie sozusagen. Aber halt! Es geht keineswegs um ein modisch aufgepepptes Autonomen-Outfit, dekorativ drapierte, palästinensische Streetfighter-Kopfbedeckungen oder gar um einen Stadtguerilla-Look uruguayischer Provenienz. Aus dem Speedware-Katalog grinsen vielmehr wahre Gallionsfiguren eines militaristischen US-Konservativismus.

„Back to the roots - back to the fifties“ ist das Speedware -Motto. Und dieses Zurück meint die fünfziger Jahre von Eisenhowers „Kreuzzug der Freiheit“, des „Roll-back“ vom Kommunismus und Linksintellektuellen, von Joseph McCarthy's Hexenjagd und des Koreakrieges.

Kampf und Kadetten sind überhaupt das Markenzeichen der „bis ins Detail kampferprobten“ Speedware-Collektion. Die Farbphantasie der Pants, Shirts und Jackets reicht dabei von Air-Force-blue und fieldgreen über choco- und sumatrabraun bis dunkeloliv und sandfarben. Jeden möglichen Einsatzort hat man bedacht. Der Speedware-Elitekrieger trägt zum Beispiel wahlweise das „Top-Fighter-Jacket“, „einen klassischen Blouson aus Rindnappaleder in antiker Optik“, den „nur die Elite tragen durfte“, das „Officer-Jacket“ mit Ordensspange oder das schlichte „Ranger-Jacket“ mit Feldflasche. Dazu passend ein „Air-Devil-Shirt“ und „Flying -Cadet-Jeans“. An besondere Beschuhung ist nicht gedacht. Als Krönung kann jezt die Schirmmütze „Semper Fidelis“ in die garantiert schweißfreie, aerodynamische Stirn gezogen werden.

Trägt man dann diese modische Hardware, fehlt eigentlich nur noch die passende Software. Sprich: die Abzeichen militärischer Schlagkraft. Für die ist freilich ausreichend gesorgt. Der „Spitzenkämpfer“ oder „Luftteufel“ kann sich entscheiden für: „US-Staff“, „25th Fighter“, „101st Airborne Division“, „US-Marine-Corps“, „Training Command“ usw. „Officer-Watch“, „Platoon-Schlüsselanhänger“, „Marine -Corpskette“, eine Fluppe der Marke „Glückstreffer“ in der Rechten und die ansprechende „Sergeant-Brille“ auf der Nase vollenden das phantasievolle Outfit. Der Speedware -Stadtkämpfer ist nun bereit für das „gespielte Inferno, den kalkulierten Sturz“.

Optisch sehr eindrucksvoll ist auch der von Speedware kreierte „MA-1-Blouson„-Typus. Auf den „MA-1-Blouson“, „den klassischen Fliegerblouson mit Orange-Warning-Futter fliegt noch heute die Air-Force“. Der „MA-1„-Kämpfer trägt chocobraune „Bentwater-Pants“, ein „US-Cap“ mit „Top-Gun„ -Aufnäher, grün getönte „Sergeant-Brille“. Im Speedware -Katalog thront dieser nette Junge auf einem Airboat in den Sümpfen Floridas, und seine Rechte hält diesmal statt der „Lucky Strike“ eine Knarre. Der perfekte, modisch durchgestylte Contra-Ausbilder in praxisnahem Ambiente.

Der Speedware-Träger lebt in völliger Identifikation mit dem höchsten Kulturausdruck: der US-Army. Säuerliche Lebensängste und grüblerische Zweifel quälen ihn kaum. Sein Mann ist Ronald Reagan, sein Credo der neue Konservatismus. Und er ist ökologiebewußt: „Der destruktive Charakter ist immer frisch bei der Arbeit. Die Natur ist es, die ihm das Tempo vorschreibt, indirekt wenigstens: denn er muß ihr zuvorkommen. Sonst wird sie selber die Zerstörung übernehmen.“ (Walter Benjamin)

Walter Saller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen