: Vom Nachttisch geräumt: KAFFEESACHSEN
Die Dresdner Sammlungen waren für das deutsche Bild von der klassischen Antike wohl einer der wichtigsten Bezugspunkte. Winckelmann hat hier seinen heidnischen Schock erhalten, war unheilbar infiziert worden. Nach ihm pilgerten alle nach Dresden und sahen sich an, was Sachsens Kurfürsten und Könige zusammengerafft hatten. Auch die Gemäldegalerie wurde begeistert frequentiert. Herder schrieb:
„Blühe, deutsches Florenz, mit deinen Schätzen der Kunstwelt!
Stille gesichert sei Dresden Olympia uns.
Phidias-Winckelmann erwacht an deinen Gebilden,
Und an deinem Altar sprossete Raphael-Mengs.“
Seume spricht sich begeistert aus über die Gemälde und die Antiken, vermerkt aber „die Mumien hat man anderwärts besser.“
Dresden hatte freilich auch weit irdischere Genüsse zu bieten. Hermann Meynert schrieb 1833: „Ich habe mich schon oft gewundert und kann es noch in diesem Augenblicke nicht begreifen, wie in Dresden sich eine solche Unzahl von Konditoreien zu erhalten vermag. Diese bestehen hier wirklich in einem fabelhaften Überflusse, und selbst in den ersten Lebe- und Luxusstädten habe ich, im Verhältnisse, kaum die Hälfte derselben vorgefunden. In Dresden - einer Stadt, welche wegen ihrer notorischen Hungerleiderei oft genug ein Gegenstand fremder Spottsucht geworden ist - muß man sich um so mehr wundern, wie dergleichen zuckergebackene Institute, welche in der Regel doch nur auf Kosten eines schon raffinierenden Luxus zu bestehen vermögen und mit prosaischer Philisterei, woran es doch in Dresden nicht fehlt, im entschiedensten Streite leben, hier ihre Rechnung finden...“ Inzwischen haben wir uns an den Zusammenhang von opulenter Tortenschleckerei und philiströser Engherzigkeit gewöhnt. Über eines der Staatsvölker der späteren DDR schrieb am 11. April 1813 Karl Freiherr von Stein an Graf von Nesselrode: „Die große Volksmasse ist dem König von Sachsen ergeben und verlangt seine Rückkehr, jedoch hat man nicht zu erwarten, daß diese ihrem Eigentum anhängenden weichen Wortkrämer zu einem Aufstande oder zum Widerstande fähig sein werden - es ist widerwärtig zu sehen, daß dieser Zustand der Herabwürdigung, worin sich ihr Vaterland befindet, die Unglücksfälle, die es überwältigen, sie weniger berühren als die Unbequemlichkeiten des Krieges, die Entfernung des Königs und die Zerstörung der Dresdner Brücke.“ In den „Dresdener Merkwürdigkeiten“ vom Februar 1791 liest man es noch anders: „Nachzutragen wäre noch auf den Monat Jänner, daß Se.Kurfürstl.Durchl. am 18ten ein neues Mandat wider Tumult und Aufruhr ergehen lassen, welches von Kanzeln verlesen worden und in allen öffentlichen Blätternsteht. - Ferner die Ratsverordnung, die Feldmäuse nicht auf Feldern und Wiesen durch gestreuten Arsenik zu töten, wegen gefährlicher Folgen für das zahme Vieh, das seine Nahrung auf Feldern und Wiesen sucht.“
Dresden zur Goethezeit - 1760-1815, hrsg. von Günter Jäckel, Verlag Werner Dausien, 431 Seiten mit 102 s/w und farbigen Abbildungen, 24,80 DM
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