Tödliche Geschäfte der USA mit Irak

Aufbau der irakischen Chemiewaffenanlagen als internationales Großgeschäft / Nach kurdischen Quellen waren am Aufbau der Giftgasproduktionen außer bundesdeutschen auch Firmen aus acht weiteren Ländern beteiligt / Auch die UdSSR im Geschäft dabei  ■  Von Jürgen Gottschlich

Berlin (taz) - Die Erregung amerikanischer Politiker über Giftgasproduktionen im Nahen Osten beruht offenbar auf einer gezielt selektiven Wahrnehmung. Nach Informationen der taz war beim Aufbau einer Chemiewaffenfabrik im Irak auch ein führender US-Konzern beteiligt. Dokumente aus Bagdad belegen, daß die „Bechtel Group Incorporation“ ab 1984 eine Giftgasfabrik in Akashat, nahe der jordanischen Grenze mit errichtet hat. Direktor des Unternehmens war bis Juli 1982 kein Geringerer als der spätere US-Außenminister George Shultz.

Nach kurdischen Angaben soll Akashat quasi ein Gemeinschaftsprojekt beider Supermächte gewesen sein. Während Bechtel Anlagenteile baute, schickten die Sowjets das Know-how. 30 sowjetische Techniker waren danach an der Einrichtung Akashats beteiligt. Möglicherweise halten sich dort immer noch sowjetische Experten auf.

Eine der taz vorliegende Liste erschließt erstmals die tatsächlichen Dimensionen der irakischen Chemiewaffenproduktion. Nicht nur wie bislang angenommen in Samarra, sondern in drei weiteren großen Anlagen soll der Irak seine Giftgasbestände produziert haben. Außer deutschen Firmen wie Kolb, W.E.T. und Preussag haben Firmen aus Italien, Belgien, der Schweiz, Östereich, Frankreich, Jugoslawien und sogar Brasilien am Geschäft mit dem Tod mitverdient. Neben Experten aus der UdSSR sollen Inder und Süd- und Nord-Koreaner mit am Werk gewesen sein. Offenbar war der Irak für ausländische Regierungen solange unproblematisch, wie sie davon ausgingen, daß die chemischen Waffen nur gegen den Kriegsgegner Iran eingesetzt würden. So protestierten die USA erst, als bekannt wurde, daß Bagdad das Giftgas auch nach dem Waffenstillstand gegen die Kurden zum Einsatz brachte.

Daß der Irak sein einmal vorhandenes Potential chemischer Waffen nun auch zu weiterer militärischer Verwendung ausbaut, geht aus einem Bericht hervor, den der 'Stern‘ jetzt vorlegte. Danach wird unter dem Mantel einer universitären Forschungseinrichtung in Mossul eine Raketenfabrik gebaut, wobei wiederum bundesdeutsche Unternehmen beteiligt sind. Bekannt ist bislang, daß der Irak mit dem Bau von Trägerraketen, unter anderem auch für den Einsatz chemischer Bomben experimentiert. Der 'Stern‘ beruft sich nun auf geheime Dokumente über ein Projekt „Saad -16“, in dem in neun unterschiedlichen Sektionen an Raketen und Chemiewaffen geforscht würde. Beteiligt an der Belieferung des Projekts sei eine Tochterfirma von Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), wiederum die Karl Kolb GmbH, sowie als Vermittlungsfirma die Gildemeister Projekta aus Bielefeld. Alle genannten Unternehmen bestreiten nicht, Labor- und andere Anlagenteile für die Universität Mossul geliefert zu haben. Alle Ausfuhren seien aber völlig legal gewesen. Die Firmen bestritten jedoch den vom 'Stern‘ vermuteten Verwendungszweck. Mit den gelieferten Anlagen sei weder eine Giftgas- noch eine Raketenproduktion denkbar. Die Anlage sei vielmehr der Universität Mossul angeschlossen. „Was die da im einzelnen nachher machen, kann ich nicht sagen“, beteuerte ein Manager der Gildemeister -Geschäftsleitung gegenüber der Nachrichtenagentur 'ap‘. In einer Stellungnahme von MBB heißt es: „In der Tat hat die Tochtergesellschaft des Unternehmens, Transtechnica, Arbeiten an einem Labor für Hochfrequenztechnik und Materialprüfung durchgeführt.“ Zu weiteren Angaben sah sich die Unternehmensleitung gestern nicht in der Lage. Ausführlicher Bericht und

Dokumentation auf Seite 7

Kommentar auf Seite 4