piwik no script img

Didaktischer Trichter ("Der Kronprinz", 25.1.89, ARD, 20.15 Uhr)

(„Der Kronprinz“, 25.1., ARD, 20.15) Heiß ist die Story des Selbstmords des österreichischen Kronprinzen Rudolf allemal und noch dazu sind die Fakten historisch verbürgt. Da ist Sex, da ist Crime, da ist der Vater-Sohn-Konlikt, die politischen Umwälzprozesse im k.u.k.-Reich. Sissys Sohn, der mit einer jugendlichen Geliebten freiwillig aus dem Leben schied, der pflichtgetreue kaiserliche Vater, der den Tod des Sohne wahrscheinlich aus Staatsraison billigend in Kauf nahm, die Vertuschungsversuche, Gerüchte und Spekulationen. Was brauchen Filmemacher mehr, um aus diesen Ingredienzen entweder einen interessanten Dokumentarfilm zu drehen oder wunderbar schnulzige nostalgische Schinken.

Doch leider scheint es auch in Ungarn Regisseure zu geben, die bei der Abteilung Schulfunk gelernt haben, daß man alles auch vereinfacht, hölzern und pädogogisch darstellen kann. Nach dem Motto „Wie mache ich Zehnjährigen Geschichte verständlich?“ wird zur Ausrede für die Handlung ein amerikanischer Journalist kreiert, der mit einem ungarischen Adelsmann den mysteriösen Tod des Prinzen zu ergründen sucht. Die Zeugen, die sie aufsuchen, bieten den Anlaß für Rückblenden - so einfach ist das. Was alle längst verstanden haben - der liberale Kronprinz störte im Prinzip, weil er sich lieber mit den aufgeklärten Engländern oder Franzosen zusammentun wollte als die Allianz seines allmächtigen Vaters mit Kaiser Wilhelm fortzuführen -, wird uns penetrant durch die Ausführungen des Unglücklichen noch mal erklärt. Sätze wie „Freie Bahn dem Tüchtigen“, „Das Bürgertum ist die Basis des modernen Staats“, „Sie werden nie verstehen, was Demokratie ist“, gehen den Helden unentwegt über die Lippen. Fehlen darf aber auch nicht das närrisch verliebte Mädchen („Es git keine anderen Männer außer Dir“), das mit ihm sterben will, die Rabenmutter Sissy und die unglückliche Ehefrau („Wir passen nicht zusammen“), bei denen kein Klischee ausgelassen wird. Gänzlich unerträglich ist die musikalische Untermalung. „Wiener Blut“ bei romantischen, Märsche bei offiziellen und dramatisch-emphatische Töne bei edler Gesinnung erläutern unerbittlich noch einmal das bereits zu oft Gesagte. Da bekommt man direkt Sehnsucht nach den „Sissy„-Folgen, die wenigstens darauf verzichteten, so zu tun, als vermittelten sie historische Wahrheiten.

Rita Hermanns

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen