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Rebellio Teutonica in Ecclesia Romana

■ Die "Kölner Erklärung" von 163 TheologInnen ist nur ein Indiz: dem Papst entgleiten allmählich die Zügel

Daß es „einen anti-römischen Affekt“ gibt, ist wahrlich nicht neu. 1923 hat Carl Schmitt ihm einen brillanten Essay Römischer Katholismus und politische Form gewidmet: „Aus ihm nährt sich jener Kampf gegen Papismus, Jesuitismus und Klerikalismus, der einige Jahrhunderte europäischer Geschichte bewegt.“ Noch in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen zeige sich „eine nervöse Unruhe, wenn geheimnisvoll intrigierende Jesuiten oder Prälaten auftreten“.

Wenn heute etwas mehr als 150 römisch-katholische Theologie -OrdinarInnen deutscher Nation das ultramontane Hauptquartier mit papiernen Petitionen bombardieren (wobei eine Reihe etablierter Sympis aus Angst um den Lehrstuhl die offene Unterschrift scheut und nur zur klamm-heimlichen Solidarität mit dem Kölner Protest bereit ist) - was ist kirchenhistorisch gesehen daran neu?

Vor allem dies: der anti-römische Affekt kommt diesmal aus dem deutschen Katholizismus, und dieser war im letzten Jahrhundert stets die festeste römische Bastion innerhalb der Weltkirche. Deutsche Theologen und vor allem auch deutsche Jesuiten schrieben die Dossiers für Vaticanum I (mit der berüchtigten „Unfehlbarkeit“ des pontifex maximus ex cathedra sowie der unbefleckten In-spiritu -Insemination (der jungfräulichen Gottesmutter); und deutsche Kardinäle - allen voran der Purpurträger im chur -kölnischen „Rom des Nordens“, Josef Kardinal Frings - waren die Vorreiter des Vaticanum II, des aggiornamento der römisch-katholischen zur multi-kulturellen Weltkirche. Frings‘ Chefideologe war damals der Theologieprofessor Ratzinger, heute Chef der Sancta Congregatio für Glaubensfragen beim Stellvertreter Christi: einer kam durch.

Der Rest der deutschen Karawane mault jetzt - so möchte man meinen - vor allem wegen enttäuschter Hoffnungen auf Mitbeteiligung. Von den üblichen Lehrstuhlquerelen abgesehen, spricht der Anlaß für sich - daß der polnische Papst auf den kölschen Bischofssitz, den reichsten der Weltkirche, gegen ortskirchlichen Widerstand einen gehorsam -autoritären Seelenführer aus dem Osten gepflanzt hat.

Denn was kirchliche Machtpolitik angeht, hätten die Herren und Damen TheologInnen nicht bis 1989 warten müssen: Ein Kirchenverständnis als societas perfecta und nicht als communio - als potestas, nicht als munus (als Macht statt als Dienst) - ein principatus (eine Herrscherstellung) des Papstes ist seit dem 1983 gegenreformierten Codex juris canonici geltendes Kirchenrecht.

Das Bild einer „belagerten Stadt, die ihre Bastionen auftürmt und mit Härte nach innen und außen verteidigt“ wie dies die deutschen katholischen Protestanten der papalen Kirche in der „Kölner Erklärung“ nicht zu unrecht vorhalten

-trifft empirisch heute noch mehr auf die Bastionen der liberal-fortschrittlichen TheologInnen zu. Sie haben das Zweite Vaticanum zu früh als Sieg westlichen Fortschrittsgedankens in der una Sancta interpretiert. Denn die Kirche hat sich zwar zur Welt geöffnet - die Massen - und Medienbrillanz des polnischen Papstes, die nur im liberalen Westen ihre Verächter findet, ist durchaus post -moderne missio - ohne aber dadurch demokratischer geworden zu sein. In Polen, auf den Philippinen, in Nicaragua wie in Brasilien: Die politischen Theologen von heute sind Vollblutpolitiker geworden (ob Befreiungstheologen oder polnische Beichtväter), aber keine liberalen Demokraten.

Vielleicht sollten die deutschen Liberal-KatholikInnen lieber einen „Inhaltsrat“ aufmachen (wie die StudentInnen der Berliner FU): Ohne sich mit Wojtilas und Ratzingers Kritik am Begriff des westlichen wie östlichen „Fortschritts“ auseinanderzusetzen, die zuletzt in der päpstlichen Sozialenzyklika sollicitudo rei socialis ihren prägnantesten Audruck gefunden hat, werden ihre Thesenanschläge bloße Makulatur für theologische Berufungskommissionen bleiben.

Otto Kallscheuer

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