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CDUler erwägt Schlag gegen Rabta

■ CDU-Stercken: Militärschlag gegen C-Waffen-Fabrik noch verfrüht / Produktion in Rabta laut Geheimdiensten noch nicht angelaufen / CSU fordert Konsequenzen gegen bundesdeutschen Geheimdienst

Bonn (dpa/ap) - Westliche Geheimdienstkreise neigen gegenwärtig zu der Annahme, daß in der umstrittenen libyschen Chemieanlage Rabta, in der angeblich Giftgas hergestellt werden kann, noch nicht produziert wird. Dies stütze sich auf Hinweise, daß die Anlage noch nicht völlig fertig sei, hieß es von informierter Seite in Bonn. Es gebe jedoch keine völlig verläßlichen Informationen, sondern nach wie vor unterschiedliche Beurteilungen der tatsächlichen Situation vor Ort.

Beobachter in Bonn stellten zwischen der Lageeinschätzung durch die Geheimdienste und der Erklärung von Kanzler Kohl vom Mittwoch über die Verhinderung einer Giftgasproduktion in Libyen einen Zusammenhang her. Kohl hatte gegenüber dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Bronfman, betont, die Bundesregierung wolle mit ihren Partnern verhindern, daß in der Chemieanlage bei Rabta die Produktion chemischer Kampfstoffe aufgenommen werde.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Stercken (CDU), nannte in der in Hannover erscheinenden 'Neuen Presse‘ Überlegungen über einen präventiven Militärschlag gegen eine Giftgasproduktion in Libyen für verfrüht: „Das sind Überlegungen, die ich jetzt noch nicht anstellen würde.“ Er verstehe Kohls Erklärung als Ankündigung politischer und diplomatischer Aktivitäten. Die Bundesrepublik werde europa- und weltweit um Hilfe bitten, damit Libyen nicht in den Besitz der Chemikalien komme, die zur Produktion von C-Waffen benötigt würden.

Die CSU ist nach den Worten ihres Generalsekretärs Erwin Huber unzufrieden mit dem „Wirrwarr“ und den „Pannen“ in der Libyen-Affäre. In einem am Freitag vorab veröffentlichten Interview forderte Huber rückhaltlose Aufklärung und schloß personelle Konsequenzen nicht aus. Künftig müsse auch diskreten Hinweisen der Geheimdienste sofort konsequent nachgegangen werden, sagte er. Die Behörden dürften nicht abwarten, bis gerichtsverwendbare Beweise mundgerecht vorlägen. Huber verwies auch auf den entstandenen außenpolitischen Schaden und verlangte Auskunft darüber, „wer wann im Auswärtigen Amt Bescheid wußte“.

Der Haushaltsausschuß des Bundestages sollte sich auf Antrag der SPD-Fraktion am nächsten Montag in einer Sondersitzung mit der Libyen-Affäre befassen und dabei auch Bundesfinanzminister Stoltenberg zu der möglichen Beteiligung der bundeseigenen Salzgitter AG am Bau der angeblichen Giftgasanlage hören. Bundestagspräsidentin Süssmuth (CDU) hat diese Sondersitzung des Ausschusses zu den mutmaßlichen Beteiligungen allerdings nicht gebilligt. Eine solche Sitzung sei nach Ansicht des Bundestagspräsidiums nicht erforderlich.

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