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■ Grüne wählen neuen Fraktionsvorstand

Kann man die Wahl als Entscheidung für den „Aufbruch“ werten, für eine verbreitete Unlust an den Flügelexponenten, für die Fortsetzung des Karlsruher Vorstandssturzes also? Wohl kaum, dazu ist das Wahlergebnis von Antje Vollmer, die doch gleichzeitig mit der erreichten Zustimmung der Parteibasis zur Urabstimmung über den künftigen Kurs der Partei deutlich an Gewicht gewonnen hat, zu negativ ausgefallen: Nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten hat für sie votiert, eine Stimme weniger, und sie hätte selbst die einfache Mehrheit verpaßt. Also eine Wahl gegen Persönlichkeiten, wie es das Durchfallen von Schily und Kelly nahelegt? Es scheint, als wolle die Fraktion Konflikte auf jeden Fall vermeiden; mag sein, daß die Zeit vor zwei Jahren, als Thomas Ebermann und eine Realo-Mehrheit sich übel bekriegten, noch nachwirkt. So werden die unauffälligen Personen gewählt, die das „einer-von-uns„-Gefühl nicht stören. Eine am Wochenende bekanntgewordene Wickert-Umfrage, nach der 57 Prozent der grünen Miglieder Schily zum Parteivorsitzenden wollen, 65 Prozent sich bei den Realos wiederfinden und 91 Prozent für eine Koalition mit der SPD sind, wurde nicht einmal diskutiert und damit eine Strömung in der ganzen Partei ignoriert.

Das Politikvakuum in der vom Streit erschöpften Partei wird bis zum Abschluß des Urabstimmungsprozesses im Herbst bestehen bleiben. Dadurch kommt der Bundestagsfraktion ein besonderes Gewicht zu. Und was tut die Fraktion? Jeder werkelt in seinem Schrebergarten vor sich hin. Soll ein Vorstand vor allem dafür Sorge tragen, daß keiner auf fremden Parzellen herumtrampelt? Kann es sich eine kleine Fraktion leisten, ohne Konzentration der Kräfte und ohne Konzept gegen die Apparate von Regierung und Alt-Parteien anzugehen? Wohin die Fraktion bis zur Bundestagswahl steuern soll, hat sich offensichtlich keiner gefragt. Ruhe und stiller Fleiß als erste Pflicht eines grünen MdB aber können doch wohl nur Sekundärtugenden sein.

Gerd Nowakowski

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