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Lukrative „Gewinnzentrale“

■ Bremer Hellseher Betrug vorgeworfen / Über 200.000 Mark Einkünfte aus Lotto-Tips und Zusammenführungsversuchen / Magische Kräfte doch erfolgreich?

Eigentlich hatte Dieter P. schon einen gutbezahlten Job. Er saß hinter einem Tellerchen vor dem Klo des Bad Zwischenahner Spielcasinos und bekam von erleichterten Kunden auch mal ein paar Chips hingelegt. Um die 5.000 Mark im Monat sollen so zusammengekommen sein. Doch dann lernte er eine Kartenlegerin kennen, ging bei ihr in die Lehre und wechselte das Metier: Als „Gewinnzentrale Dieter P.“ inse

rierte der 41jährige Bremer in den Spalten der bundesdeutschen Regenbogenpresse und versprach „garantiert 99,9 Prozent Gewinn“. „Werden Sie noch dieses Jahr Lottomillionär“, hieß es in den Inseraten, „gegen Vorkasse von 500 Mark bekommen Sie sofort ihre persönlichen Gewinnzahlen für ein Jahr zugeschickt.“

Auch als „Fernheiler“, „Hellseher“ und „Partnerzusammenführer, sogar in schwierigen Fällen“ betätigte sich Dieter P. - und zwar mit einem Erfolg, der seinen lukrativen Job in Bad Zwischenahn schnell in den Schatten stellte. Einkünfte von weit über 200.000 Mark aus seinen magischen Fähigkeiten hat die Bremer Staatsanwaltschaft zusammengestellt und wirft Dieter P. nun Betrug „durch Vorspiegelung falscher Tatsachen“ vor. Eine lange Liste von Zeugen soll im Laufe

des zunächst auf drei Prozeßtage angesetzten Verfahrens vor dem Schöffengericht diesen Vorwurf erhärten.

Alle warteten sie nach Entrichtung der verlangten Gebühr an die Bremer „Gewinnzentrale“ erfolglos auf ihr Glück. Neben Rentnern aus Stock-Hindelwangen und Hausfrauen aus Altötting findet sich in der Geschädigten-Liste auch ein Informatik -Student (9. Semester) und ein echter Professor. Zumindest etwas, so hofften sie, müßte an Dieter P.s so häufig angepriesenen magischen Qualitäten doch dran sein. Eine ganze Million hätte sie zwar nicht erwartet, hatte eine Zeugin zu Protokoll gegeben, „aber so Hunderttausend für den Hausbau meines Schwagers hätten's schon sein mögen.“

„Wenn es in der Waschmittelreklame heißt 'Omo beseitigt selbst hartnäckige Flecken‘, dann wundert sich doch auch niemand, wenn trotzdem Dreck in der Wäsche bleibt, und die Firma wird

nicht wegen Betruges verurteilt“, verdeutlichte P.s Verteidiger Erich Joester dem Gericht seine Strategie. Schließlich seien entsprechende Zeitungen voll von ähnlichen und oft noch erheblich drastischeren Versprechungen, als sie die Bremer „Gewinnzentrale“ abgegeben hatten. Richter Hoffmann konnte dies schon nach kurzem Überfliegen der überreichten Blättchen bestätigen: „So abstrus kann es gar nicht sein, als daß es hier nicht hingeschrieben würde.“

Auch der vom Gesetz zur Verurteilung wegen Betruges verlangte Vorsatz wird Dieter P. kaum nachzuweisen sein. Zwar schweigt er vor Gericht, doch seinen Verteidiger ließ er mitteilen, daß er selber von seinen hellseherischen Fähigkeiten völlig überzeugt ist. Und Verteidiger Joester will vor Gericht nun klären lassen, ob Dieter P.s magische Kräfte seinen KundInnen nicht doch geholfen haben.

Ase

(Forts.: 8.2., 9 Uhr, Amtsgericht)

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