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BARFUSS IM NETZ

■ Berliner Tanztage im Ballhaus Naunynstraße und der Theatermanufaktur

In den Garderoben wispert's: Nachrichten werden ausgetauscht über Workshops, Aufführungen und Hinweise, an welcher Schule gerade die begehrten Lehrer unterrichten. Berliner Schulen für zeitgenössischen Tanz: Zwischen denen, die ein- oder zweimal in der Woche zu ihrem Vergnügen tanzen, versuchen jene, die es ernst mit der Kunst meinen, gar Tänzer werden wollen, Erfahrungen zu sammeln. Die Fluktuation - der Schüler und der Lehrer - ist groß; eingerichteten Profi -Klassen mangelt es oft an Kontinuität. Das Angebot der Studios, die nicht zuletzt aus kommerziellem Kalkül Exotika wie Afro-Dance und Tango aufnehmen, ist in seiner Vielfalt verführerisch für den Laien. Wer aber die professionelle Ausbildung sucht, wird in Berlin nur schwer gute Trainingsmöglichkeiten finden.

Die Ausbildungs-Situation für den modernen Tanz in Berlin zu verbessern, ist eines der Ziele, das sich die „Tanz Initiative Berlin“ gesteckt hat. Nach einem Jahrzehnt, in dem nicht nur viele Tanzgruppen entstanden und eine neues Publikum fanden, sondern viele auch enttäuscht und isoliert in der Berliner Tanzszene keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sahen, haben sich 1988 Solisten und Compagnien zu einem Verein zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Interessen wahrzunehmen. Sie fordern kulturpolitische und finanzielle Unterstützung für eine professionelle Ausbildung, Trainingsräume, langfristige Engagements von Lehrern, um nicht in teuren Workshops ihre Kunst zusammensuchen zu müssen, und Studienklassen für Choreographie, die sich bisher in der bisher rein privatwirtschaftlich organisierten Tanzszene niemand leisten kann. An dieses Minimum der Förderung des modernen Tanzes, das dessen bisher fehlende Anerkennung als eigenständige Kunst seitens des Kultursenats voraussetzt, schließen sich Wünsche nach besseren Aufführungsorten und Finanzierung der Compagnien an. Dahinter steht auch der Vorwurf, daß moderner Tanz bisher meist als Festivalware und Kulturimport gehandhabt wurde.

Erste Leistung der Tanzinitiative: sie gibt regelmäßig eine Broschüre heraus, in der endlich alle Informationen aus der und über die Tanzszene gesammelt publiziert werden. Mit den Tanztagen vom 2. bis zum 12.Februar stellt sich die „Tanz Initiative Berlin“ erstmals öffentlich vor. 32 Auftritte von Compagnien und Solisten werden im Ballhaus Naunynstraße und in der Theatermanufaktur das breite Spektrum einer Tanzszene dokumentieren, das bisher noch durch keine Kriterien eingegrenzt wurde. Der Marathon, der kein Festival der Stars sein will, soll dazu beitragen, die Bedürfnisse der Szene zu artikulieren und die Ansatzpunkte der Förderung - die bisher einzig als Desiderat besteht - zu konkretisieren.

Die Selbstdarstellung der Tänzer und Choreographen im Programmheft lesen sich abenteuerlich und bezeugen neben der Vielseitigkeit der Szene zugleich deren Zersplitterung und den Hang zum Exotismus. In den Geschichten der hier gelandeten Tänzer spiegeln sich Kreuzfahrten zwischen Paris, Amsterdam, New York, Stuttgart und der Batsheva-Dance -Company Israel. Der Dschungel von Contact-Improvisation, Release-Technik, Modern Jazz, Limon-, Cunningham-, Graham oder Wigman-Schulen, Akrobatik und Sport, Tai-Chi, Butoh, koreanische Schamanentänze: über die Grenzen der Disziplinen und Kulturen hinaus werden produktive Anleihen gesucht. Doch diese Körpersprachen lassen sich nicht wie die Trikots wechseln. Tanz zwischen Kunst und Therapie, zwischen historischer Forschung und Biodynamik: herauszufinden, was man vom Tanz will, ist oft schon Schwerstarbeit.

Katrin Bettina Müller

Berliner Tanztage vom 2.-12.Februar, im Ballhaus Naunynstraße und der Theatermanufaktur.

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