: Proteste gegen Vaclav Havels Haft
Dem tschechoslowakischen Schriftsteller und Mitbegründer von „Charta 77“ droht eine Gefängnisstrafe wegen „Störung der öffentlichen Ordnung und Vorbereitung zum Rowdytum“ ■ Von Klaus Bachmann
Berlin (taz) - Hunderte Schriftsteller und Künstler aus aller Welt haben in den letzten Tagen mit Unterschriften gegen die Verhaftung des tschechoslowakischen Schriftstellers Vaclav Havel protestiert, darunter auch der amerikanische Dramatiker Arthur Miller, dessen Stücke in der CSSR überaus populär sind. In einem Beitrag für die tschechische Samisdat-Zeitschrift 'Lidov-Noviny‘ schreibt Miller, er sei „schockiert“ von den Ereignissen in der CSSR. Das Verfahren gegen seinen tschechischen Kollegen bezeichnete Miller als „Justizparodie“.
Havel war in der dritten Januarwoche verhaftet worden, weil er während einer Protestdemonstration zum 20.Jahrestag der Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach einen Kranz vor dem Wenzelsdenkmal niedergelegt hatte. Die Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Rowdytums ist inzwischen abgeändert worden: in „Störung der öffentlichen Ordnung und Vorbereitung zum Rowdytum“, wobei das letztere Vergehen immerhin noch mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden kann. Havels Frau Olga wurde in diesem Zusammenhang zu verstehen gegeben, die Haft ihres Mannes werde länger dauern. Von den dreizehn zusammen mit Havel inhaftierten Demonstranten sind nur noch zwei weitere in Haft.
Außer dem Schweizerischen Schriftstellerverband, der am Dienstag einen Brief an den Prager Innenminister veröffentlichte, AutorInnen des Rowohlt Verlags, Abgeordneten der Grünen und Vertretern von Friedensgruppen aus der BRD, der CSSR und Holland haben bisher auch 692 Schriftsteller, bildende Künstler, Schauspieler und Musiker aus der CSSR selbst in einem Schreiben an Ministerpräsident Ladislav Adamec Havels Freilassung gefordert. Diese Petition wird täglich durch neue Unterschriften ergänzt, darunter auch von Regisseuren und Schauspielern, die bisher als „staatstragend“ galten. Ihre Erklärung richtet sich besonders gegen die Berichterstattung der staatlichen Medien. Die zentrale Presse hatte Oppositionelle in den vergangenen Wochen als „staatsfeindliche Elemente, Aufwiegler und Kriminelle“ verunglimpft und die Privatadressen der Verhafteten veröffentlicht. Havel selbst war in der Boulevardzeitung 'Vecerni Praha‘ sogar als Ex -Nazi verleumdet worden.
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