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SPD Berlin nennt Bedingungen

■ Momper verlangt Zugeständnisse auch von Bonner CDU / Forderungen gegenüber AL bekräftigt / Schönhuber: Republikaner werden dritte Kraft

Berlin (taz) - Noch in dieser Woche soll es erste Klärungsgespräche zur Regierungsbildung in Berlin geben. Nach wie vor will sich die SPD aber die Option nach allen Seiten offenhalten und hüllt sich in beharrliches Schweigen, welcher Lösung - rotgrünes Bündnis oder große Koalition sie den Vorrang geben will. Eine Entscheidung soll bei einem Sonderparteitag fallen.Heute nachmittag wollen sich zunächst SPD und CDU im Rathaus Schöneberg treffen, für kommenden Freitag ist ein erstes Gespräch mit der Alternativen Liste (AL) geplant.

SPD-Chef Walter Momper stellte gestern der Presse ein sogenanntes „Positionspapier“ vor, in dem die wichtigsten Leitlinien der künftigen SPD-Politik umrissen sind. Ziel der SPD sei es, eine „Reformpolitik mit klaren, liberalen, ökologischen und sozialen Akzenten“ anzustreben. Bekämpfung der Wohnungsnot, Abbau der Arbeitslosigkeit und die Rücknahme der Gesundheitsreform nannte Momper als „Kernpunkte“ der neuen Politik. Das erfordere insbesondere von der CDU weitreichende Zugeständnisse. Die CDU müsse nicht nur anerkennen, daß er, Momper, Anspruch auf das Amt des Regierenden Bürgermeister habe. Zur „wirksamen Bekämpfung der Wohnungsnot“, so Momper gestern weiter, solle über Bonn die Mietpreisbindung wieder eingeführt werden. Deshalb müsse neben der Berliner CDU auch die Bonner Fortsetzung auf Seite2

CDU Zusagen machen. Besonders unverdaulich dürfte für die CDU Mompers Forderung nach einer Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer sein.

Für die Gespräche mit der AL wie

derholte Momper die bekannten Essentials: Anerkennung der Präsenz der Alliierten, der Rechtseinheit mit dem Bund einschließlich der vorbehaltlosen Übernahme der Bundesgesetze sowie Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols und Distanzierung von jeglicher Form von Gewalt. Die AL, erklärte Momper, müsse vor allem prüfen, inwieweit eine rot-grüne Koalition über den vollen Zeitraum einer Legislaturperiode „verläßlich und berechenbar“ arbeiten kann. Bei einigen AL-Forderungen sei bereits heute klar, daß sie in eine künftige Regierungspolitik nicht einfließen können. Als Beispiel nannte er die Autofreie Stadt und die Öffnung der Haftanstalten. Fraglich ist bislang vor allem, wie man sich über den Verfassungsschutz einigen will. Die AL fordert die Auflösung des skandalgebeutelten Amtes, während die SPD auf Reform und parlamentarische Kontrolle setzt. Die Wahlüberraschung vom letzten Sonntag scheint aber in jedem Fall die Aufklärungsarbeit im Berliner Verfassungsschutzskandal zu beschleunigen. Überraschend trafen jetzt im Sicherheitsraum des Schöneberger

Rathauses die seit Wochen angeforderten Akten ein, die der Verfassungsschutz über Berliner Abgeordnnete angelegt hatte.

In München erklärte gestern der Republikanerführer Schönhuber: „Wir sind nicht zu stoppen.“ Drei Tage nach seinem spektakulären und umstrittenen Wahlerfolg in Berlin gab sich der 66jährige auf der Pressekonferenz siegesgewiß. „Berlin war nur die Generalprobe, Bayern wird die Premiere und in Bonn werden wir auf dem Dauerspielplan stehen“, verkündete er unter dem anhaltenden Blitzlichtgewitter der Fotografen. Seine Prognose: ein zweistelliges Wahlergebnis bei den Bayerischen Landtagswahlen 1990 und in Zukunft drittstärkste Partei in Bund und Ländern. Auch gegen Bundespräsident Weizsäcker wollen die „Republikaner“ bei den Neuwahlen im Mai antreten. Als Gegenkandidat wollen sie eine „überparteiliche national-gesinnte Persönlichkeit“ aufstellen. Die „Republikaner“ seien nicht rechtsextrem, denn die Hälfte der Parteimitglieder seien Staatsdiener, darunter Polizisten und hochrangige Offiziere der Bundeswehr.

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