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Chaotische Zustände im FU-Wahlbüro

■ Wahlfälschungen, um linke Mehrheit im Akademischen Senat zu verhindern? / Ungereimtheiten auch bei Studentenwahl Leiter des Wahlbüros der Freien Universität bittet um seine Versetzung / Ein anonymer Informant packt aus

Als „schwerstens chaotisch“ bezeichnete gestern ein studentischer Mitarbeiter die Arbeitsweise im FU-Wahlbüro. Die bekanntgewordenen Stimmzettelfälschungen bei den Gremienwahlen zum Akademischen Senat (AS), zum Konzil und dem Studentenparlament (StuPa) seien vor allem das Resultat des laxen Umgangs mit den Wahlunterlagen, so der Informant. So sei es gängige Praxis, die mit der Post eingegangenen Wahlbriefe auch schon vor Abschluß der Wahlen zu öffnen. „Je nachdem, wer sich vom Wahlkomitee gerade im Büro befindet, packt die Briefe in die Urne oder gleich in den Keller.“ Die Möglichkeit, Wahlunterlagen einfach verschwinden zu lassen, sei dementsprechend groß, so der studentische Mitarbeiter gegenüber der taz.

Auswahlkriterien für diejenigen, die im Wahlbüro mitarbeiten dürften, gäbe es nicht. „Ich bin vom StuPa gefragt worden, ob ich da mitarbeiten will, und dann bin ich da halt hingegangen. Mich hat vom Wahlkomitee aber nie irgendjemand gefragt, wer ich eigentlich bin.“ Eine Zuverlässigkeitserklärung habe er niemals unterschreiben müssen, erläuterte der studentische Mitarbeiter, der anonym bleiben will. „Das einzige, was ich versprechen mußte, war, Stillschweigen über das, was im Wahlbüro abläuft, zu bewahren“.

In seinen Augen seien die Wahlfälschungen erfolgt, um eine linkere Zusammensetzung der Gremien, besonders aber des AS, zu verhindern, so der Mitarbeiter. „Durch den Streik hätten wahrscheinlich gerade unter den Professoren viele so gestimmt, daß Heckelmann seine absolute Mehrheit im AS verloren hätte.“ Nicht auszuschließen sei aber auch, daß die Wahl so offensichtlich gefälscht wurde, um Neuwahlen zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen. „Daß die Wahl dann angefochten wird, wurde wahrscheinlich gleich mit einkalkuliert.“ Interessant, meinte der Wahlbüroexperte, sei in diese Hinsicht, daß den Wahlanfechtungen so schnell stattgegeben worden sei, nachdem das Wahlergebnis vorgelegen habe. „Der Rummel um die Wahlfälschungen war nach der Auszählung sehr viel größer als vorher“, so der studentische Mitarbeiter im Wahlbüro. Schon am 3. Januar hatte der Leiter des FU-Wahlbüros Harry Deutschland die ersten Wahlfälschungen entdeckt. Vor Wahlabschluß, am 12. Januar, waren insgesamt 17 Stimmzettelfälschungen in der Gruppe der Professoren bemerkt worden. Zum größten Teil hatte es sich hierbei um Wahlbriefe gehandelt, die offensichtlich unter Wasserdampf geöffnet worden waren. Die enthaltenen Stimmzettel hatte man mit neuen Ankreuzungen versehen (die taz berichtete). Drei weitere Wahlfälschungen waren nach der Wahl entdeckt worden. Der Zentrale Wahlvorstand hatte daraufhin beschlossen, die Wahl in der Stimmgruppe der Professoren am 10. Mai zu wiederholen.

Zu Wahlfälschungen sei es, so der Informant, aber auch in mindestens einem Fall in der Stimmgruppe der StudentInnen gekommen. Eine Archäologiestudentin, die an der Urnenwahl hatte teilnahmen wollen, sei mit der Begründung abgewiesen worden, „ihr Wahlentscheid liege bereits vor“. Nachforschungen von seiten der Studentin hätten ergeben, daß jemand unter ihrem Namen eine Briefwahl vorgenommen hatte. Zahlreiche StudentInnen hätten erst gar keine Wahlunterlagen bekommen. Der Leiter des Wahlbüros bestritt die Ungereimtheiten. Er habe die Streitigkeiten endgültig satt und werde FU-Präsident Heckelmann um seine Versetzung bitten.

Christine Berger

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