piwik no script img

TV-Werber wollen Liberalisierung

■ „Online '89“: Magere Einnahmen des Werbefernsehens wegen Adorno und Horkheimer

Hamburg (taz) - Augen und Ohren sind die wichtigsten Zugänge zum menschlichen Gehirn. Das Satellitenfernsehen wird es erobern. Diese Art des Fernsehens bedeutet Zufriedenheit und Freiheit für den Verbraucher. Satellitenfernsehen macht die Menschen glücklich, denn es öffnet die Türen zu allen anderen Menschen.

So weit die Thesen von Candace Johnson, Marketing-Expertin für Fuba Communication, einem der führenden Unternehmen der Nachrichtenübertragungstechnik in der Bundesrepublik. Vorgestellt wurde sie dem Publikum der Hamburger Telekommunikationsmesse „Online '89“ als „Mutter“ des privaten luxemburgischen Satelliten Astra. Heftig warb sie für die Amerikanisierung des Fernsehens im EG-Binnenmarkt. Angeblich dreht sich dabei alles um den „König Kunden“. Doch war dieser rasch vergessen, als es um jene Quelle ging, aus der sich die Programme aus dem Orbit ernähren. Noch sehr viel zu tun gebe es nämlich hinsichtlich der „marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ bei der Werbung. H.Merkle, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Werbefernsehen der deutschen Wirtschaft, nahm da kein Blatt vor den Mund. Staatliche Eingriffe, EG-Richtlinien - alles Hindernisse. Die Politik in den westeuropäischen Medienzentren werde durch eine Denkschule bestimmt - der von Adorno und Horkheimer: Adorno habe schließlich einen Plattenspieler abgelehnt. Diese Denkschule habe die Werbung zum Bösewicht gemacht. Die Folge sei eine Inflation von Gesetzen gewesen, die dem Zuschauer die Künste der Werbung vorenthalten.

„Geheime Verführer“ gibt es für Merkle nicht - aber einen gewaltigen Markt. er rechnet vor: 1986 entfielen auf das Werbefernsehen in Westeuropa rund 20 Prozent des gesamten Werbeaufwands, 8,4 Milliarden Dollar. In den USA und Japan aber liegt der Anteil bei 36 Prozent. Stünde deren Niveau hier zur Verfügung, würde das Volumen auf 13,4 Milliarden Dollar steigen.

Der Werbefernsehexperte träumt von Sponsoring. Aber: Der Kunde müsse wissen, daß das Programm von IBM sei. Und er fügte dem die Bemerkung hinzu, es gebe ohnehin einen Mangel an guten Programmen.

Ein spezieller Sponsor war schon da: Der Herr von der Siemens-AG schaltete sich ein und forderte seinerseits: Mehr Liberalisierung für Werbung und Sponsoring. Allerdings müsse das mit Augenmaß betrieben werden. Siemens - ein Sponsor mit Augenmaß -: wäre das nicht eine gute Werbung.

König Kunde war vergessen. Wer aber garantiert den Werbern und Sponsoren, daß er nicht doch das letzte Wort spricht? Freiheitskämpfer Merkle sollte vielleicht jene Studie ernster nehmen, die Aufschluß über das Verhalten des Fernseh -Publikums gibt.

Ergebnis: 61 Prozent aller Kanalwechsel wurden wegen Werbesendungen vollzogen. Ob freie Märkte diesen Prozeß umkehren?

Horst Buchwald

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen