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Modell für Singles

 ■ N O C O M M E N T

Der Vater von Klein-Heiko, der so begeistert am Wochenende Reifen produzieren will, wird dann also in Zukunft mit seinem kleinen Heiko keine Wochenendausflüge mehr machen können. Muß er selber wissen, könnte man meinen, ob er am schulfreien Wochenende lieber mit seinem Sohn was unternehmen oder unter der Woche seinen Männer-Hobbys nachgehen will. Nur - daß die durch Wochenendarbeit ermöglichte zusätzliche Freizeit den sozialen Zusammenhalt in den Familien fördern könnte, kann niemand im Ernst behaupten. Regelungen wie die von Uniroyal sind was für Singles. Und wenn sie - wie absehbar - dann irgendwann nur noch der Form nach freiwillig, in Wirklichkeit aber durch sozialen Druck der Firmenleitung den Beschäftigten aufgezwungen werden, befördern sie die Interessen jener Männer, die sich vielleicht schon lange aus der sozialen Einbindung in ihre Familien(pflichten) abseilen wollten.

Es ist bezeichnend, daß das Arbeitszeitmodell von Uniroyal in einem Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit durchgeboxt wird. Wer interessiert sich in Aachen dafür, daß durch die Produktionsausweitung hier natürlich bei anderen Reifenproduzenten Marktanteile und damit Arbeitsplätze verlorengehen werden? Dies aber ist die logische Folge, wenn - was nicht zu erwarten ist - sich der Markt für Autoreifen nicht insgesamt ausweitet. Ganz nebenbei wird durch die geplante Regelung auch noch die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden überschritten. Daß einem Unternehmen an Umsätzen und nicht an der Gesundheit der Arbeitskräfte gelegen ist, verwundert nicht. Aber haben die Betriebsräte und IG-Chemie-Gewerkschafter, die diese famosen 12-Stunden-Wochenendschichten mit ausgeklügelt haben, wirklich keine einzige jener unzählichen Untersuchungen gelesen, aus denen hervorgeht, daß alle Arbeit über acht Stunden hinaus auf die Dauer die Gesundheit ruiniert?

Martin Kempe

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