: Land ohne Frieden
Das Ende der sowjetischen Intervention in Afghanistan ■ K O M M E N T A R E
Bislang war der sowjetische Rückzug aus Afghanistan ein halbwegs „geordneter“. Moskaus Soldaten haben das noch von der Regierung Nadschibullah kontrollierte Kabul bereits vollständig verlassen. Auch in den wenigen noch verbleibenden Tagen bis zum 15. Februar werden kaum so dramatische, symbolträchtige Bilder um die Welt gehen wie im April 1975, als die letzten GIs, an den Kufen US -amerikanischer Hubschrauber hängend, aus dem bereits an den Vietkong gefallenen Saigon ausgeflogen wurden. Ein Kalkül, das Gorbatschow mit der Unterschrift unter das Genfer Abkommen vom April 1988 verbunden hatte, ist damit aufgegangen. Die wochenlangen und am Montag wohl endgültig gescheiterten intensiven Bemühungen der sowjetischen Diplomatie um eine Kompromißlösung in Afghanistan sollten darüber hinaus vor allem der Dritten Welt signalisieren, daß die UdSSR verbündete Länder nicht einfach aufgibt und ihr deren künftiges Schicksal nicht egal ist. Das wirkt natürlich besser als das Verhalten der USA, die seit ihrer Unterschrift unter das Genfer Abkommen nur noch Waffen in das Land pumpten und den (Bürger-)Krieg anheizten.
Doch - und das wußte Moskau auch immer - gab es keine reale Grundlage für eine Kompromißlösung mehr, spätestens seit der Ausklammerung der afghanischen Opposition aus den Genfer Verhandlungen und dem Abkommen. Dieser Fehler hat eher noch zu einer Verhärtung bei den Mudschaheddin und zu einer zumindest vorübergehenden - Annäherung ihrer verschiedenen Fraktionen geführt. Der Streit unter den verschiedenen Gruppen wird wieder voll ausbrechen - spätestens nach dem Sturz Nadschibullahs. Mit den von den USA via Pakistan gelieferten Waffen ist ein anhaltender Bürgerkrieg garantiert.
Die westlichen Länder und ihre selbsternannten Afghanistanexperten a la Todenhöfer, die die Sowjetunion jahrelang auf die Anklagebank setzten, haben auch keine politische Lösung anzubieten. Zu den Massakern und Menschenrechtsverletzungen der Mudschaheddin schweigen sie geflissentlich. So markiert das Ende der über neunjährigen sowjetischen Besatzung zwar einen wichtigen Einschnitt in Moskaus Außenpolitik. Aber Frieden für Afghanistan und eine Stabilisierung der Region sind vorläufig nicht in Sicht.
Andreas Zumach
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