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Das Böse Schaf-betr.: "Heil Hitler,Berlin", taz vom 30.1.89

Betr.: „Heil Hitler, Berlin“, taz vom 30.1.89

Ich habe gewählt, ich gehöre zum „Gesindel“ (das „Gesindel gewählt hat“). Ich hätte nur eine Chance gehabt, nicht zum „Gesindel“ zu zählen, nämlich: nicht zu wählen. Jetzt habe ich wieder keine Wahl. Bin ich nun eine „Idiotin, eine FeiglingIn oder ein NaziIn“? Jedenfalls kann ich mir nicht die blütenweiße Weste oder Schürze glattstreichen und mit angezogenem Finger auf Mompers Glatze zeigen.

Die Feinde, die „idiotischen, feigen, nazistischen“, das sind noch immer, schon wieder: die Anderen; und die „Huren“? („Nutten“ wäre ein zu unchristliches Wort für Sonne und Solche, und von jemandem, der extra Jesus von Nazareth in sein „Hurenhaus“ bemüht, auf daß der wieder Ordnung schaffe; weg mit dem korrupten Sauhaufen von Wählern!). Was den einen ihr „Pack“ ist, die Ausländer den „Reps“ („Reps“, für Republikaner, klingt nicht von ungefähr wie „Plebs“ für Plebejer), ist dem anderen sein „Gesindel“, die Wähler. Und warum darf nicht einmal auch die SPD der „Zuhälter“ sein und die Christ-Demos die „Hure“, bis Gottes Sohn sie neuerlich zum Tempel rausjagt, oder der Oberförster (Brasch?) die alle aus dem Wald. Könnte schließlich auch passieren, daß die eine oder die andere „Hure“ eine so immense Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen mag und weniger konfliktscheu und nicht bloß verbal reagiert. Zum Glück - fürs allgemeine profilneurotische Gequatsche -gibt es arrogante, menschenverachtende Moralisten (wie aus der West-Abteilung der „Jungen Welt“, ADN-DDR), die machen sogar ein Schaf böse. Ein Schaf, selbst wenn es so demokratisch-blöd war zu wählen, will einfach nur ein Schaf sein, nicht ein „Gesindel“.

Ich merke, zu meinem Ärger noch dazu, daß ich auf parablesk -bildhafte Ideologie auch nur polemisch antworte. Ich will üben, emotional zu sein, ohne mir Sachlichkeit zu verkneifen. Ich hoffe, daß ich endlich begreife, daß an meinen Plattfüßen, meinem Liebeskummer, dem brüllenden Kleinkind im Hof, ... nicht immer, nicht nur die anderen schuld sind. Vielleicht steckt ja auch in mir ein Hauptfeind, in meinem eigenen Alabasterleib? Hätte ich nicht Grund genug, das zu vermuten, ich müßte Nationalisten und Faschisten mehr fürchten als je zuvor.

Katja Lange-Müller, Berlinerin und Schriftstellerin

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