: Teatro Parmesano
■ S T A N D B I L D
(Teatro Due - Collettivo di Parma, Dienstag, 7.2., ZDF, 23 Uhr) Was wäre das schön, wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Konkurrenz zur Masse der privaten Anbieter demnächst in Gefilde begeben würde, die sich für die Kommerziellen nicht auszahlen. In solchen, bisher als Nischen in Erscheinung tretenden Bereichen könnten sich zum Beispiel alle Formen und Farben von Kultur abspielen, die, weil sie von Natur aus (es sei denn, man hat sie konserviert) nach Veränderung drängt, bis jetzt im Bildungsghetto nach 23 Uhr sicher gewähnt wird.
Hier flimmerte am Dienstagabend das teatro due collettivo di parma durch die Ritzen der Ausgewogenheit. Aber was soll das Theater im Fernsehen, da es doch seinen Sprengstoff aus der Gleichzeitigkeit von leibhaftigem Vorführen und Zuschauen bezieht? Oft genug hat es zum Gähnen langweilige Fernsehaufbereitungen von Theater gegeben. Seltener haben es solche Sendungen geschafft, dem ohnehin krisengeschüttelten Interesse am Theater eine neue Richtung zu geben.
Die Theaterwerkstatt im ZDF zeigte das ungewöhnlich intensive Porträt eines Theaters, das sich in den Sechzigern als Studententheater gründete und seit Anfang der siebziger Jahre in Form einer genossenschaftlichen Kooperative die Annäherung an ein Idealbild politischen Theaters versucht. Sie haben es immerhin geschafft, sich ohne Aufgabe des Kollektivgedankens zu professionalisieren.
In der Montage langer Aufführungssequenzen mit Äußerungen der SchauspielerInnen und Bildern aus Parma gelang es Susanne Müller-Hanpft und Martin Bosboom, das Besondere dieses Theaters herauszustellen. Das „teatro due“ setzt nicht Schauspieltexte in Szene, sondern setzt sich vielmehr mit der gesellschaftlichen und privaten Situation des Autors auseinander. Theater, so ein Schauspieler, ist der geeignete Ort, den eigenen Pessimismus auszuleben, während das Leben nach außen dem Optimismus eine Bresche schlägt. Eigene Probleme mit der privilegierten Arbeit an der Kunst und der Verpflichtung zu politischem Handeln finden sich zum Beispiel in Szenen Büchners, die vom „teatro due“ zu einer Collage verdichtet wurden. In der Fernsehfassung werden die Zuschauer des Büchnerprojekts zu neuen Ein- und Ansichten gedrängt. Indem die Kamera ganz ungeniert der Dynamik des Bühnengeschehens folgt und sich manchmal mitten im Spiel zu befinden scheint, verändert sich die typisch frontale Sichtweise aus dem Parkett und ist hin- und hergerissen zwischen Teilnahme und Distanzierung.
Den beiden Fernseherprobten (Der Kulturbunker, Shakespeare 1984) ist hier das Kunststück der Annäherung von Fernsehen und Theater nahezu gelungen: Das „teatro due“ hat seine Arbeit neu entdeckt, und mich hielt es bis 1 Uhr an der Glotze. Da capo!
Bettina Brandi
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