: Keine KOLAS, solange der Bär friedlich ist
Kohl legt Raketenpläne „vorläufig“ auf Eis / Bedingung: Gorbarschows Wohlverhalten bei Wiener Verhandlungen / MBB schon mit eigener Raketen-Firma ■ Von Andreas Zumach
Berlin (taz) - Nach Bekanntwerden der bislang geheimen Bonner Pläne zum Bau einer Kurzstreckenrakete haben Kanzler Kohl und Verteidigungsminister Scholz gestern entschieden, dieses Programm vorläufig „nicht weiter zu verfolgen“. „Endgültig“ würde das Raketenprojekt aber erst aufgegeben, wenn die Abrüstungsverhandlungen beendet sind und zu einem konventionellen Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau geführt haben, schränkten Kohl und Scholz ihre Entscheidung ein. Entsprechende Ergebnisse bei den am 6. März beginnenden Wiener Verhandlungen werden frühestens nach einigen Jahren erwartet. Das Fernsehmagazin Report blieb gestern weiterhin bei seiner Darstellung vom Dienstag abend, wonach die geplante Rakete auch für die Ausrüstung mit Atomsprengköpfen vorgesehen ist. Alle diesbezüglichen Dementis der Bundesregierung und des Rüstungskonzerns MBB wies Report zurück. Unterdessen verdichten sich Hinweise, wonach Bonn das KOLAS-System wegen seiner Reichweite von knapp 500 Kilometer als Alternative gegen das von den USA für die „Modernisierung“ der Lance-Raketen vorgesehene „Armee Taktische Raketensystem“ (ATACMS) ins Spiel bringen will.
Der Vorbereitungsprozeß für KOLAS war bereits weiter gediehen, als bislang öffentlich bekannt wurde. Aus Unterlagen der Hardthöhe und von MBB geht hervor, daß der Münchener Rüstungskonzern Fortsetzung Seite 2
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mit MAN, und die zwecks weiterer Entwicklung und Bau der Rakete eine gemeinsame Firma als Unterauftragsnehmer gegründet hat, der auch noch die US-Firma Martin Marietta beitreten sollte. Durch Gründung dieser Firma mit neutralem Namen, an der die vier Unternehmen jeweils 25 Prozent der Anteile halten, sollte der Eindruck einer deutsch -amerikanischen Kooperation erweckt und der eigentliche Auftraggeber, das Bundesverteidigungsministerium verschleiert wer
den. „Report„-Redakteur Klar, Autor des Magazinbeitrages, reagierte auf die Dementis aus Bonn und von MBB, wonach mit den bislang von Bonn bewilligten 100 Millionen Mark nur eine Studie finanziert worden sei und eine atomare Verwendung der KOLAS-Rakete weder vorgesehen noch technisch möglich sei, gegenüber der taz mit den Worten: „Wir bleiben ohne Einschränkung bei unserer Darstellung.“ Regierungssprecher Ost hatte kurz vor Sendungsbeginn am Dienstagabend dreimal bei der „Report„-Redaktion angerufen. Er bestätigte die Echtheit der in der Sendung gezeigten Dokumente aus dem Verteidi
gungsministerium. Die daraus zitierte Anweisung von Kanzler Kohl, wonach die KOLAS- Entwicklung „in das Folgesystem für die Pershing Ia integriert werden „müsse, das dann atomar und konventionell verwendbar sein „müsse, sei allerdings mit dem INF-Vertrag überholt. Kohl hatte in der Anweisung auch erklärt, US-Sprenköpfe müßten auf das neue System passen und es liege „im Interesse der Bundesrepublik, auf Elemente nuklearpolitischen Einflusses nicht zu verzichten“. Zu den zahlreichen Dementis von Sprechern der Hardthöhe erklärte „Report„-Chef Franz Alt, die Sprecher könnten „überhaupt nicht wissen,
was sie dementieren“. Auf den „Report“ vorliegenden Geheimdokumenten aus der Hardthöhe sei ausdrücklich vermerkt „Nicht für presseprecher bestimmt!“ In einer schriftlichen Erklärung hatte Hardthöhensprecher Monte der taz am Dienstag erklärt, „inhaltlich“ werde „Kolas erst bestimmt werden können durch die noch zu treffenden Entscheidungen des NATO -Bündnisses im Rahmen des Gesamtkonzepts“. Im für den Frühjahr geplanten „Gesamtkonzept“ sind aber nur Aussagen über Rolle, Zahl, Mischungsverhältnis und „Modernisierung“ der atomaren Waffen der NATO in Westeuropa vorgesehen.
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