: Geldbuße für Polizisten-Sprüche
■ Polizeihundeführer Gerhard Schober muß 1.500 Mark zahlen / Er hat den früheren KZ-Häftling Ludwig Baumann bei der Demonstration am Adler-Werk beleidigt / Schober konnte sich kaum erinnern
Auch Gerhard Schober, Leiter der Bremer Polizeihundestaffel, hat ein Herz für KZ-Häftlinge. Jedenfalls zeigte er es gestern vor dem Amtsgericht. Er sei in der
Nähe des Konzentrationslagers Flossenbrüg aufgewachsen, ließ der 49jährige in die Verhandlung einfließen. Da habe er gesehen, „was so ein KZ für eine Katastro
phe“ sei.
Dennoch wurde ihm gestern bewiesen, daß er zu dem früheren KZ-Häftling Ludwig Baumann gesagt hat: „Wer bei Hitler im KZ
gesessen hat, der muß auch was verbrochen haben“. Wegen dieser und anderer rechtsradikaler Sprüche fühlte Baumann sich beleidigt und zeigte Schober an. Das Verfahren gegen ihn wurde gestern von Amtsrichter Peter Mertens eingestellt, allerdings nicht umsonst: Schober muß 1.500 Mark Geldbuße zahlen.
Im Juli 1987, bei einer Demonstration gegen die Adler -Bekleidungswerke in Bremen-Arsten lernten die beiden sich näher kennen: Der Hundeführer und Ludwig Baumann, der als junger Mann von Hitlers Wehrmacht desertiert und dafür von einem Marinegericht zum Tode verurteilt worden war. Nach vier Monaten in der Todeszelle wurde er zwar „begnadigt“, fast bis zum Kriegsende saß er jedoch in verschiedenen Konzentrationslagern. Das Adler-Werk, von den Demonstranten beschuldigt, an der Ausbeutung südkoreanischer Frauen besonders gut zu verdienen, war von Polizei mit Hunden abgeriegelt. Baumann und sein Freund Bernd Gelhar holten sich vom Einsatzleiter der Polizei die Erlaubnis, vor dem Textil-Supermarkt Flugblätter an die Kunden zu verteilen. Sie gingen also von der Demo weg und trafen vor dem Eingang auf Schober. Der habe seinem Hund soviel Leine gelassen, daß er ihn von hinten habe anspringen können, berichtete Baumann gestern vor Gericht.
Als er sich wieder aufgerappelt habe, habe er Schober zur Rede gestellt: „Sowas ist mir zuletzt im KZ passiert“. Schobers kurze Antwort: „Und da leben Sie noch?“ Das habe ihn tief getroffen, sagte Baumann gestern. Schober jedoch will seinen
Spruch eher mitfühlend gemeint haben. Etwa in dem Sinne: „Ein Glück, daß Sie da lebend herausgekommen sind“.
Baumanns Freund Gelhar fragte Schober nach seinem Namen. Mit dem Namen zugleich notierte sich Gelhar die Äußerungen Schobers in seinen „Friedenskalender 1987“. Den legte er gestern dem Gericht vor. Darin vermerkt ist auch ein Dialog vom Ende der Kundgebung. Schober: „Schade, jetzt kriegt mein Hund gar nichts mehr zu beißen“. Baumann: „Sie sind ja ein richtiger Sadist“. Schober lächelnd: „Das sagt meine Frau auch immer“.
„Einen Freispruch wird es nicht geben“, gab Richter Mertens den Anstoß zu einem gemeinsamen Nachdenken über eine Einstellung des Prozesses. Schober wollte ein schnelles Ende und war sogar bereit, sich bei Baumann zu entschuldigen. Allerdings nicht persönlich, sondern nur in den dürren Worten seines Anwalts. Er selbst guckte nur bärbeißig in den vollbesetzten Saal und wurde erst wieder lebhaft, als es um die Höhe der Geldbuße ging: Aus erster Ehe habe er noch ein Kind zu unterhalten und außerdem eine dicke Hypothek auf seinem Haus. Sein Versuch, das Gericht von 1.500 Mark auf 1.000 herunterzuhandeln, schlug allerdings fehl.
Zahlungsempfänger solle der neu eingerichtete Härtefond für vergessene Nazi-Opfer sein, schlug Ludwig Baumann vor. Doch da spielte Richter Mertens nicht mit: „Der steht noch nicht in unserer Liste“. Nun muß Schober an den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband zahlen.
Michael Weisfeld
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