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Hungern gegen Apartheid

Südafrika: Hungerstreik von 300 Inhaftierten in mehreren Gefängnissen des Landes / Rechtsanwälte und Kirchenvertreter schließen sich an  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Der Hungerstreik von politischen Häftlingen in Südafrika weitet sich aus. Der Streik, der vor 18 Tagen in Johannesburg begann, hat jetzt auch Gefängnisse in anderen Landesteilen erfaßt. Mit den 300 Inhaftierten hungern seit gestern auch führende Rechtsanwälte und Kirchenvertreter. Mindestens sieben Häftlinge sind bereits ins Krankenhaus eingeliefert worden, sechs wurden freigelassen.

Die Häftlinge sind zum Teil seit mehr als zwei Jahren im Gefängnis, ohne daß je ein Verfahren gegen sie eröffnet wurde. Sie fordern ihre Freilassung beziehungsweise eine Anklage vor Gericht. Der südafrikanische Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, weigerte sich jedoch noch am Mittwoch, die Rechtsanwälte der Streikenden zu treffen. „Der Staat kann es nicht zulassen, daß er durch Hungerstreiks bedroht wird“, sagte Vlok.

Die Vizepräsidentin des südafrikanischen Kirchenrates (SACC) und Kommissarin der südafrikanischen Menschenrechtskommission, Sheena Duncan, schloß sich am Mittwoch abend dem Hungerstreik an. „Der Staat wird von diesen Hungerstreiks nicht bedroht“, sagte sie. „Sollte auch nur einer dieser Häftlinge sterben, muß Herr Vlok die Verantwortung dafür übernehmen.“ Die Streikenden sind nach eigenen Aussagen bereit, ihren Protest bis zum Tod fortzusetzen.

In Johannesburg hungern seit 16 Tagen etwa 170 Häftlinge, in Port Elizabeth in der östlichen Kapprovinz seit Montag 105. Die Gefangenen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, befinden sich nach Angaben ihrer Rechtsanwältin in ernstem Zustand. Einzelne Streikende wurden in Krankenhäusern in Johannesburg und Port Elizabeth gar nicht angenommen, weil sie die Nahrungsaufnahme verweigerten. Besondere Sorgen machen sich Menschenrechtsgruppen um den in Port Elizabeth inhaftierten 67jährigen UDF-Führer Henrie Fazzie, der an einem Magengeschwür leidet. Auch für den UDF -Führer Stone Sizani, der eine Herzschwäche hat, könnte der Streik lebensgefährlich werden. Insgesamt 50 Rechtsanwälte kündigten gestern an, daß sie sich aus Solidarität mit ihren Mandanten zwei Tage lang an dem Streik beteiligen würden.

Auch im Report der UNO-Menschenrechtskommission, der zur Apartheits-Debatte in Genf vorgelegt wurde, wurden die „Formen von Staatsterrorismus“ in Südafrika angeprangert. Die Experten sind in dem Bericht überzeugt davon, daß die Regierung in Pretoria in ihrer Apartheidpolitik „Greueltaten“ begehen lasse, darunter vor allem Überfälle, Entführungen, Ermordungen sowie verschiedene andere Formen der Einschüchterung und der Repression. 2.000 bis 2.500 Menschen seien unter Verweis auf den Ausnahmezustand inhaftiert, darunter mindesten 2.300 unter 18 Jahren.

Indessen gab die oppositionelle Gewerkschaftsföderation Cosatu gestern bekannt, daß eine Siehe auch Seite 6

Mitarbeiterin im Cosatu-Hauptquartier und der Regionalsekretär der Föderation in Pretoria gestern

von der Polizei verhaftet wurden. Auf der Suche nach Cosatu -Vizepräsident Chris Dlamini und seiner Tochter durchsuchten Polizisten zudem verschiedene Häuser in schwarzen Wohngebieten östlich von Johannesburg.

Während der Hungerstreik für Schlagzeilen sorgte, sagte W. De Klerk, der neue Führer der regierenden Nationalen Partei (NP) vor dem Parlament in Kapstadt, daß „weiße Vorherrschaft, soweit sie noch existiert“, abgeschafft werden müsse. Als NP-Führer werde er sein Äußerstes tun, um die Suche nach einem gerechten Verfassungsmodell zu beschleunigen. De Klerk war vor gut einer Woche zum Nachfolger von Präsident Pieter W.Botha als NP-Führer gewählt worden.

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