Revolte bei der Hubertus-Messe

■ Domprediger Abramzik brachte einen Teil der Gemeinde gegen sich auf

Als sich die gesamte Gemeinde zum Segenswort für Mensch und Tier erhebt, haben zwei Gemeindmitglieder endgültig die Nüstern voll. Beim „Der Herr erlöse und und gebe uns Frieden“, keilen sie kräftig gegeneinander aus, lassen sich kaum mehr bändigen. Eines der Tiere wird daraufhin von seinem Reiter des Gotteshauses verwiesen.

Das heilige Haus ist an diesem Sonntag vormittag auffällig anders dekoriert. Zwar hat ein dienstbarer Geist noch versucht, die Haake-Beck-Fahnen von der Decke zu holen, doch mangels Zeit gelingt ihm das nur unvollständig. Und vom Seitenportal wird für Mackenstedter-Schnaps, Buss-Konserven und ähnlich sündiges Zeugs geworben. Kein Zweifel: Das ist der Ort, an dem der Domprediger Günther Abramzik zur Hubertus-Messe blasen soll. Die Stadthalle-Bremen, am Sonntag während des Bremer Pferdesport-Festivals.

„Optimismus in pessimistischer Zeit“, sagt Hallensprecher Hans-Heinrich Isenbart des Geistlichen Thema an. Isenbart eine ideale Besetztung: Wenn er das „Agnus dei“ mit „Lamm Gottes gib uns Deinen Frieden“ übersetzt, zittert seine Stimme genauso inbrünstig, wie wenn er bei Olympischen Spielen einem Herrn Klimke für die gewonnenen Goldmedaille fast die Reitstiefel abschlabbert.

Aber auch der Prediger aus der Innenstadt trifft den angemessenen Ton: Eine Show, stellt er gleich klar, ist das hier nicht. Nein. Es ist „einer der schönsten Augenblicke, in dem Mensch und Tier vereint sind.“ Und angesichts der Katastrophen allüberall, angesichts des knapper werdenden Lebensraumes „ist es notwendig aus der Kirche herauszutreten und zu sagen, daß Mensch und Tier in einem Hause leben, das einzustürzen droht.“ Hier in der Stadthalle, stürzt nichts ein, denn hier, da scheint sich der Prediger sicher zu sein, sind die Sanftmütigen, die Lieben, nicht diejenigen, die ihr Material rücksichtslos über den Oxer treten. Denn: „Den Rücksichtslosen gilt dieser Gottesdienst nicht.“ 43 Pferde, die gegenüber des Altars im Halbkreis antreten mußten, scharren unruhig mit den Hufen, als Abramzik ausruft: „Es ist menschenunwürdig, das Tier so wenig Tier sein zu lassen.“ Da lobt er doch die Frau, die im Winter Hirsch und Ente füttert, den Jäger, der nicht nur dem Tötungsinstinkt nachgeht, sondern auch Heger ist, und den Bauern, der nicht nur „schlachtet, sondern auch achtet.“

Von der Schlachtung sind die Vierbeiner heute nicht bedroht, aber zu ihrem sichtbaren Mißvergnügen, müssen sie auch noch Worte des Dauerolympiasiegers Rainer Klimke über sich ergehen lassen. „Wir werden nicht müde, uns bei den Pferden zu bedanken. Amen.“

Im Vergleich zum Vorjahr hatte dieser Gottesdienst immerhin eine bedeutende organisatorische Neuerung aufzuweisen. Da war der Altar direkt vor dem Ausgang aufgebaut worden, so daß die Vierbeiner die Halle nur mit einem Sprung über das Heiligste hätten verlassen können. DiesJahr durften die Tiere wenigstens vor dem Ausgang in Hab-Acht-Stellung gehen. Vier nutzten die Chance, sich durch dauerhaftes Revoltieren einen vorzeitigen Abgang zu verschaffen.

Holger Bruns-Kösters