: 10 Jahre Ausländerpolitik gescheitert
■ Nur nach „Lustprinzip“ gearbeitet / Senatsdirektor staucht eigene Behörde zusammen /Mitarbeiter klagen über Überlastung und mangelnde Rückendeckung / Auch SPD mit Ausländerarbeit unzufrieden
Bremens Ausländerpolitik ist gescheitert. So lautet die offizielle Behörden-Bilanz über zehn Jahre Sozialarbeit für die Integration von Ausländern. Nach einem internen Vermerk von Hans-Christoph Hoppensack, Stellvertreter von Sozialsenator Hennig Scherf, war die Bremer Ausländer -Politik jahrelang von „stark politisierenden, skandalierenden“ Sichtweisen geprägt. Ausländerpolitik, so Hoppensack weiter, sei
nach dem „Lustprinzip“ betrieben worden. Darüber sei versäumt worden, „die regionalen Bedarfe genauer, kontrollierter und ohne kolonialisierende Einstellungen“ zu untersuchen.
Für Mitarbeiter in der Sozialbehörde ist der kaum verhohlene „Anschiß“ ihres Senatsdirektors kaum nachvollziehbar. Für stimmt einfach nicht, daß der Bedarf an Sozialarbeitern, Kindergartenplätzen, berufsqualifizie
renden Lehrgängen für Ausländer nicht ermittelt worden sei. Seit 1979 existiert ein umfangreiches Konzept für die Ausländerpolitik der Bremer Behörden. 1982 wurde der Bürgerschaft eine aktualisierte Fassung vorgelegt. Sie sah 19,5 Sozialarbeiter-Stellen mit dem Schwerpunkt „Ausländerarbeit“ vor. Nur: Umgesetzt wurden die dicken, zahlreichen, lange diskutierten und schließlich verabschiedeten Kon
zepte bis heute nicht. Statt 20 hauptamtlich mit Ausländer -Betreuung Beschäftigten gibt es heute - alle Stadtteilen zusammengenommen - rund 10 Sozialarbeiter, die sich überwiegend nebenher - um die Sorgen von Ausländern kümmern. Und: Wer eine Chance sieht, sich versetzten zu lassen oder wegzuberwerben, nutzt sie. Nur wenige halten den Widerspruch aus zwischen übergroßem Anspruch und erkennbaren Problemen auf der einen Seite und knappem Zeitbudget und stiefmütterlicher Behandlung in der Behörde auf der anderen Seite. Im letzten Herbst warf z.B. der Ausländerreferent von Sozialsenator Scherf, Wolfgang Linder, resigniert das Handtuch. Er schützt inzwischen Daten bei Bremens oberstem Datenschützer Alfred Büllesbach.
Gescheitert sind die hehren Konzepte zur Ausländerintegration viel weniger am „Lustprinzip“ der Mitarbeiter als am Sparprinzip der neuorganisierten Sozialen Dienste (NOSD). Beim neuen Organsiationsschema aller Sozialbehörden fielen Ausländer schlicht alle Raster der Geschäftsverteilungspläne. Die NOSD kennt „Jugendliche und ihre Familien“ als Zielgruppe, „Erwachsene“ und „ältere Mitbürger“. Ausländer kennt sie nicht. Konsequenz: Wer sich „vor NOSD“ vor allem um Ausbildunsgplätze für türkische Mäd
chen oder um Amtsvormünder für asylsuchende Kinder, die auf eigene Faust ihre Heimat verlassen hatten, kümmerte, bewilligt „nach NOSD“ z.B. Sozialhilfe für BremerInnen mit deutschem Paß oder berät deutsche Eltern bei der Kindererziehung.
Mit seiner kritischen Bestandsaufnahme über die Bremer Ausländerpolitik steht Senatsdirektor Hoppensack überigens nicht allein. Schon im letzten Oktober forderte die „Kommission Ausländerpolitik“ der SPD schriftlich in einem Brief an den damaligen Parteivorsitzenden herbert Bürckner: „In jedem Stadtteil mit nennenswerter ausländischer Wohnbevölkerung muß es eine/n Sozialarbeiter/in geben, der/die für Auskänderarbeit zuständig ist und dafü qualifiziert und ausgestattet ist.“
Zwei Moante später bekam die Kommission Unterstützung von der Arbeitssgruppe „Ausländerpolitik“ in der SPOD -Bürgerschaftsfraktion: Die Umsetzung der Konzepte zu Ausländerintergation seien „ins Stocken geraten“, „mit der Verschlechterung der fianziellen und personellen Bedingungen hat eine Gewichtsverlagerung zu Ungunsten der Ausländerpolitik stattgefunden“, notierten die SPD -Abgeordneten. Bisherige Konsequenz der Papiere von Senatsdirektor, Partei-und Fraktionsausschuß: Keine.
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen