: Opposition feiert Stroessners Abgang
Zehntausend feiern in der Hauptstadt Paraguays den Sturz des Diktators / Demonstranten fordern Verschiebung des Wahltermins / Oppositionsparteien wollen sich auf die Wahl vorbereiten ■ Aus Asuncion Gaby Weber
Bei glühender Mittagshitze feierten in der Hauptstadt Paraguays am Samstag etwa 10.000 Menschen den Sturz des Tyrannen. Veranstaltet hatte die Demonstration der „acuerdo nacional“, ein Zusammenschluß der bürgerlichen Oppositionsparteien. Die Redner forderten ein neues Wahlgesetz, eine verfassungsgebende Versammlung und die Verschiebung des Wahltermins, den die neue Regierung auf den 1.Mai festgelegt hat. In drei Monaten, so hieß es, könne sich die Opposition nicht ausreichend vorbereiten und organisieren. Die alten Wahlregister, in denen Tote, Kinder und Gespenster zum Urnengang berechtigt waren, könnten bis dahin nicht gesäubert werden. 90 Tage reichen jedoch für den Putschistenführer General Rodriguez, um seinen Bonus als „Befreiter des Vaterlandes“ auszunutzen.
Die 90 Tage bis zu den Wahlen versprechen die freiesten zu werden, die das Land in seiner Geschichte je erlebt hat. Die Polizei hält sich zurück, regelt für die Demonstranten den Verkehr, das jahrelang verbotene Radio 'Nanduti‘ darf wieder senden, die Wochenzeitung der sozialdemokratischen Febreristen, 'Pueblo‘, ist wieder im Umlauf, und die Tageszeitung 'ABC Color‘ wird wohl in wenigen Wochen wieder am Kiosk hängen. Während die „irregulären“ Parteien des „acuerdo nacional“ vermutlich mit Domingo Laino an der Spitze an den kommenden Wahlen teilnehmen dürfen, bleibt die Kommunistische Partei weiterhin auf der schwarzen Liste. Die Verfassung Paraguays verbietet nicht nur ausdrücklich die KP, sondern auch den Klassenkampf. Die regierende Colorado -Partei wird Andres Rodriguez aufstellen, seine Kandidatur muß noch auf dem Parteitag am 1.April bestätigt werden.
Zehn Tage nach dem Putsch vermittelt Asuncion den Eindruck, als sei gar nichts geschehen. Die Spuren der Panzer werden entfernt, die Einschüsse in den Häuserwänden der Innenstadt verputzt und die Mauern des Regiments der Leibgarde des Exdiktators Alfredo Stroessner repariert. Die Taxifahrer, die noch bis vor kurzem die Werke des deutschstämmigen Herrschers in den Himmel gelobt hatten, bemühen nun die gleiche Tonlage für den neuen General. Ob der neue, der seinem Herrn 34 Jahre lang gedient hat, Besserung verspricht? „Er hat schon immer heimlich für die Demokratie gekämpft.“ Und daß Rodriguez Chef des Drogenhandels ist? „Er hat wohl schon genug gegessen, und er ist satt, er muß nicht mehr korrupt sein“, hofft der Chauffeur.
Der Chef der unabhängigen Gewerkschaft MIT, Victor Baez Mosqueira, wird auf der Plaza umarmt: „Mein lieber Companero, welche Freude, dich wiederzusehen.“ Doch die Freundschaft, erklärt Mosqueira der deutschen Journalistin, ist jung. Sein Gegenüber war der Chef der Druckergewerkschaft, die von der Mun-Sekte kontrolliert wird, und im regimenahen Dachverband CPT organisiert war. Was mit der CPT, die jede Abstimmung nur mit Schlägertrupps gewinnen konnte, nun passieren wird, steht in den Sternen. Der MIT fordert ihre Auflösung, aber die CPT-Leute zeigen sich anpassungsfähig und nützlich für die neuen Machthaber.
Viele frühere Oppositionelle sind jetzt wie ein Lichtschalter umgekippt und gehen im Regierungspalast ein und aus. Es wird neu gemischt, und da will niemand zu kurz kommen. Der Oppositionsführer des „acuerdo nacional“, Domingo Laino, war nach dem Putsch in den Sitz der Regierungspartei geeilt - das erste Mal in seinem Leben -, dort von den Colorados auf die Schultern gehoben worden und hatte mit ihnen minutenlang die Parole gerufen: „Es lebe Rodriguez“. Der Anführer der „eticos“ („die Moralisten“), einer Dissidentengruppe innerhalb der Colorado-Partei, Carlos Romero Pereira, spricht heute von der „großen Stunde der Demokratie“ und wurde sofort in die Regierungsjunta aufgenommen.
Den Drang zum Regieren verspüren auch die „Mopocos“, frühe Dissidenten der Colorados, die schon in den fünfziger Jahren von Stroessner verfolgt und ins Exil getrieben worden waren. Sie wollen Rodriguez‘ Kandidatur unterstützen. Als Bedingung für die Aufnahme am Tisch der Regierung müssen sie allerdings vorher aus dem „acuerdo nacional“ austreten. Die katholische Kirche, jahrelang Rückgrat der Opposition, spricht nun von „Versöhnung“. Der Erzbischof von Asuncion hat General Rodriguez seine volle Unterstützung angeboten und bereits eine Messe für ihn gelesen.
Die erste Welle der parteiinternen Säuberungen ist vorbei, etwa 35 Stroessner-Anhänger („stronistas“) sitzen im Gefängnis. Im Polizeihospital liegt der Expostdirektor Manuel Exquivel, und der frühere Innenminister Sabino Montanaro hockt noch in der Botschaft von Honduras und will nach Uruguay ins Exil. Justizminister Eugenio Jacquet, Anführer der Milizen der „stronista“, will sich in Brasilien in der Nähe Stroessners aufhalten. Seine Estancia in Paraguay wurde letzte Woche von 200 Leuten aus der Umgebung geplündert.
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