Schickeria mit Klassenschranke

Yuppie-Agenturen verdrängen alteingessessene Alternativbetriebe aus der Hamburger Allee 45 in Frankfurt Im bisherigen Zentrum der Alternativbetriebe sorgt eine Parkschranke für die Zufahrt der richtigen PKWs  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die „Schmuddelkinder“ bleiben ab Montag draußen vor der Tür: Eine Parkschranke - die zum Symbol für die Klassenschranke zwischen Yuppie- und Alternativkultur geworden ist - wird dann verhindern, daß die letzten Mohikaner aus 'Pflasterstrand‘ und taz, aus der Frauenschule oder aus dem „Listen-Komplex“ den Innenhof der alten Bauerschen Gießerei in der Hamburger Allee 45 in Frankfurt weiter ansteuern. Der Parkraum, der zehn Jahre lang den sozialen, kulturellen und medialen Projekten zur Verfügung stand, wurde nämlich von Haus- und Agenturenbesitzer Lürzer gezielt an die neue, solvente Mieterschaft der Hamburger Allee vergeben. Denn die Porsches und BMWs der Schickeria aus den neu in den Gebäudekomplex geholten Werbeagenturen vertragen sich nicht mit den Enten und Benz-Schleudern der bisherigen Mieter.

Der Lürzersche Hausmeister verteilt seit Wochen Plastikkärtchen an die Yuppies, mit denen die „Klassenschranke“ geöffnet werden kann. Und im bislang von JournalistInnen und Kulturschaffenden gut besuchten Restaurant 'Orfeo‘ wurde der preiswertere Mittagstisch von 13 Uhr bis 14 Uhr abgeschafft, damit die Schicki-Mickis in dieser Zeit - unbelästigt von den bisherigen Essern - ihr gedünstetes Gemüse mit rosa gebratenem Entenbrüstchen zu sich nehmen können. Die Wucht des Angriffs der Neureichen auf die Bastion der Frankfurter Szene der 68er hat auch die überrascht, die von sich selbst schon glaubten, die Aura des alternativen Miefs überwunden zu haben. Die überwiegend schicken MitarbeiterInnen des 'Pflasterstrand‘ rettet auch der Zusatz „Metropolenmagazin“ auf ihrem Blatt nicht vor der Vertreibung aus den angestammten Räumlichkeiten im Vorderhaus der Hamburger Allee. Nur in zähesten Verhandlungen konnten 'PS'-Herausgeber Dany Cohn-Bendit und seine Leute den Yuppie-Freund Lürzer zur Beschaffung von Ersatzräumen bewegen - dort mußte dann um die Installation jeder Kachel gekämpft werden. Und den taz-Redakteur schützte auch der propere Benz nicht vor dem Verlust des angestammten Parkplatzes: Dort steht ab Montag der frisch vom Band gerollte schwarze Benz eines Werbefritzen. Seit Monaten wird der taz-Geschäftsführerin ein neuer Mietvertrag versprochen; der alte wurde zum Mai 1989 gekündigt.

Federn lassen mußte auch das legendäre Frauengesundheitszentrum (FGZ). Das finanzschwache Projekt wurde von einer neuen Mietzinsankündigung Lürzers zur Abgabe der Hälfte der bisherigen Räumlichkeiten gedrängt. Nur Tage später donnerten die Preßlufthämmer durch die Wände des FGZ. Wer in die ehemaligen FGZ-Räume einziehen wird? Dreimal darf geraten werden. Das nach den Mietvertragskündigungen im Sommer 1988 rasch zusammengetrommelte Aktionskomitee gegen die Austrocknung der bisherigen Strukturen der Hamburger Allee 45 ist nach heftigen Gefühlsaufwallungen der betroffenen ProjektvertreterInnen wie ein Kartenhaus zusammengestürzt. Geschickt spielte der Verhandlungsführer Lürzers die diversen Firmen gegeneinander aus und ließ die in der Luft verhungern, die nicht in das „neue Konzept“ für die Bauersche Gießerei passen: Der Druckladen wurde aus dem Komplex gedrückt, der 'ID‘ mußte bei der taz Unterschlupf suchen, und andere aus der Alternativbewegung entstandenen Betrieb bekamen nur noch befristete Mietverträge, die gestaffelt dann auslaufen, wenn - nach der Planung Lürzers neue Mieter aus dem Bereich neue Medien und Werbung ihren Raumbedarf anmelden. Die legendäre Hamburger Allee 45 wird dann nur noch der historische Standort der Post-68er -Bewegung sein und Teil des Frankfurter Kuriositätenkabinetts.