„Eindruck gemacht“

Norbert Meisner vom SPD-Landesvorstand  ■ I N T E R V I E W

taz: Ihre Berliner Parteispitze hat sich gestern mehrere Stunden im Reichstag beraten. Wie wurde dort die AL beurteilt? Ist die AL jetzt für die SPD eine realpolitische Partei geworden?

Norbert Meisner: Na, so schnell wandeln sich Bilder nicht. Aber das Bild der Mitgliedervollversammlung (MVV) der AL am Samstag, auch in der Disziplin wie die Veranstaltung ablief, in der Art wie dort große Mehrheiten gefunden wurden, das ist nicht ohne Eindruck auf uns geblieben und als ermutigend empfunden worden. Das Ergebnis selbst hat uns nicht so überrascht. Vielmehr ist unserer Erwartung entsprochen worden. Jetzt können Verhandlungen richtig beginnen.

Mit dem Wahlprogramm als Verhandlungsgrundlage hat die AL ja bewußt auf Sachforderungen, auf Meßlatten verzichtet. Sehen Sie darin eine Erleichterung für die Verhandlungen?

Wir können noch nicht einschätzen, was es heißt, daß der AL -Verhandlungskommission das gesamte Wahlprogramm mitgegeben wurde. Es kann zweierlei bedeuten: Es kann in der Tat eine Erleichterung sein, es kann aber auch sein, und das war unsere Befürchtung schon bei den vorangegangenen Sondierungsgesprächen, daß zum Teil nebensächliche Detailfragen, in denen wir strittig sind, nun in den Mittelpunkt rücken. Ich denke, das werden erst die nächsten Verhandlungen zeigen.

Die AL will eine „streitbare Zusammenarbeit“, eine Koalition mit der SPD. Will die SPD das auch?

Für uns ist es auf jeden Fall wichtig, eine Koalition zu bekommen und keine lockere Form der Zusammenarbeit.

Mit der AL?

Ja klar, darum verhandeln wir ja.

Da gibt es einige Knackpunkte, zum Beispiel die Rücknahme der Gesundheitsreform oder ein Landesmietengesetz. Für beides sind Vorstöße in Bonn notwendig. Sehen Sie Chancen, da auch mit einem grünen Partner erfolgreich auf Bonner Bühne zu sein?

Man muß davon ausgehen, daß alles, was von einer rot-grünen Koalition in Bonn vorgetragen wird, auf Mißtrauen trifft. Andererseits ist es ja möglich, für eine neue Mietpreisbindung etwa eine größere Mehrheit über Rot-Grün hinaus dafür in Bonn zu kriegen, also daß sich auch die Berliner CDU, ob nun in der Regierung oder in der Opposition, dafür in Bonn einsetzt.

Gibt es da nach der AL-Mitgliederversammlung eine Änderung in der SPD-Verhandlungsstrategie?

Nein, die Verhandlungsstrategie wird sich nicht ändern. Wir werden mit der CDU und mit der AL verhandeln, um so schnell wie möglich zu einem Ergebnis zu kommen.

Insgesamt klingt das alles noch sehr vage. Verläßt die SPD immer mehr der Mut, ihre sogenannte „neue Politik“ auch mit einem neuen Partner zu wagen?

Wir sind schon bereit, ein Risiko einzugehen. Aber viel hängt natürlich davon ab, wie ein gemeinsames Programm aussieht, und zweitens, wie erfolgreich ein solcher Senat sein kann, was er zuwegebringt. Außerdem stehen wir jetzt erst am Anfang der eigentlichen Verhandlungen. Meine Meinung ist aber nach wie vor, daß staatspolitisch viel gegen eine große Koalition spricht.

Interview: Birgit Meding