: Auch Kaisen war dafür
■ Dickes Geschichtsbuch aus dem Steintor-Verlag über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik aus Bremischer Sicht / Sparkasse sponsort, Koschnick wirbt
Altbürgermeister Hans Koschnick hatte das Buch, das gestern vorgestellt wurde, zwar nicht geschrieben, aber er hatte nach eingenem Bekunden - in der vorhergegangenen Nacht bis um halb eins darin gelesen. Immerhin ein Grund, mit Bremer JournalistInnen werbeträchtig darüber zu plaudern. Zweitens hat er als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bremer Sparkasse dafür gesorgt, daß dieses Institut 350 Exemplare der ersten Auflage (sie beläuft sich auf ganze 1.000 Stück) aufkauft. Und drittens: Koschnick ist Zeuge der Zeit, in der das Buch spielt und war beteiligt an der Auseinandersetzung, die Thema des Buches ist: um die Wiederaufrüstung der Bundesre
publik nach dem zweiten Weltkrieg.
Die Wiederbewaffnung war fast zehn Jahre lang in der Debatte, besonders innerhalb der SPD, und wühlte die Gefühle der Westdeutschen auf. Buchautor Karl-Ludwig Sommer behandelt das Thema aus lokaler Sicht: Wie hat der Bremer Zwergstaat auf die Bundesdebatte eingewirkt? Unausweichlich dabei und stolz auf dem Umschlag vermerkt: das Buch ist ein Beitrag zur politischen Bigraphie des „legendären Senatspräsidenten Wilhelm Kaisen“.
Der Autor ist Historiker und - man bedenke - zudem noch Sohn eines Geschichtslehrers. Sein
Buch ist 366 Seiten dick und eine historische Mikroskop-Auf
nahme. Er zeichnet nicht nur große Linien nach - die hatte Mittäter Hans Koschnick eh- noch in der Erinnerung, wie er gestern sagte - sondern macht sie durch bisher nicht veröffentlichte Dokumente sichtbar. Sommer schildert besonders die Debatten innerhalb der SPD, wo Kaisen kein Pazifist, kein Aufrüstungsgegner war, wohl aber ein Pragmatiker, der in vielen Fragen mit den sozialdemokratischen Bürgermeistern anderer Großstädte gegen den Parteivorstand zusammengehalten hat.
366 Seiten Geschichtsdetails - wer soll das lesen? Diese Frage würden ihm die Buchhändler in
diesen Tagen auch stellen, sagte Verleger Hermann Pölking Eiken. Die Banker villeicht, wo die Sparkasse nun schon zur Finanzierung beigetragen hat? Hans Koschnick wiegte bedenklich den Kopf. Wer es lesen sollte, das wußte er: sozialdemokratische Politiker, die die Geschichte aus eigener Beteiligung nicht so gut kennen, wie er.
Und einem will Koschnickes schenken: Dem Altbundeskanzler und Genossen Helmut Schmidt.
mw
Karl-Ludwig Sommer: Wiederbewaffnung im Widerstreit von Landespolitik und Parteilinie. Steintor-Verlag Bremen, 366 Seiten, 30 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen