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Chaplin erobert Berlin

■ Belagerungszustand - Schutzhaft - „Liebling des Volks“ - Shake hand - „Charlie, komm‘ raus!“

Der Bahnhof Friedrichstraße gleicht um 5 Uhr einer belagerten Festung. Ist in Berlin Revolution ausgebrochen? Schutzpolizei in Massen, auf Lastautos, zu Fuß und zu Pferde. Und alles überschwemmt von einer vieltausendköpfigen, elektrisierten Menge; die Plätze und Straßen um den Bahnhof, die Eingänge und Treppen, alle Hotelfenster dicht besetzt. Von Fenster herunter, von Autos und Leitern hundert Kameras und Kurbelkästen schußbereit auf das Ziel gerichtet. Der schnittige Mercedes der Tönenden Ufawoche umkreist beutegierig das Gelände.

Tatsächlich: eine zentrierte Festung. Nur mühsam gelangt der Auserwählte auf den gesperrten Bahnsteig. Ein paar hundert Menschen auch hier. Freunde Chaplins, Künstler (darunter Marlene), Presse und Polizei. Ein brausendes Hurra macht das Gebäude beben.

Chaplins Zug ist eingefahren. Noch ehe irgendjemand an ihn herankommt, ist er in „Schutzhaft“. Die Polizei schützt ihn vor dem Tode des Erdrücktwerdens, geleitet ihn sofort durch die jubelnden Massen hinunter, zu Direktor Goldschmids Auto, das ihn, mit Polizei auf den Trittbrettern, langsam, langsam durch die Menge hindurch zum Adlon entführt. Im Gewühl trifft man auf Goldschmid und Gattin, in ihrer Begleitung Kampers. Selbst er konnte seinen eigenen Gast in Berlin noch nicht begrüßen; man steigt in Kampers Wagen (wobei „Fritze“ eine kleine Sonderovation einheimst) und schlängelt sich zum Adlon durch.

Aus: Berliner Börsen Kurier, 9.3.31

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