Ins Gerede gekommen-betr.: "Mißtrauen ist angesagt", taz vom 9.2.89

betr.: „Mißtrauen ist angesagt“, taz vom 9.2.89

Carl von Ossietzky schrieb am 6.November 1928 in der damaligen 'Weltbühne‘ unter anderem folgendes: „Deutschland ist das einzige Land, wo Mangel an politischer Befähigung den Weg zu den höchsten Ehrenämtern sichert.“ Hätte er Helmut Kohl gekannt, dann wäre sein Urteil wahrscheinlich noch schlimmer ausgefallen.

Da wurde die deutsche Beteiligung an der Chemiefabrik in Libyen erst vertuscht, bis es einfach nicht mehr ging. Da wurde die „Tornado„-Lieferung an Jordanien als ein ganz gewöhnlicher Vorgang bezeichnet, wobei bei der öffentlichen Begründung dieses merkwürdigen politischen Treibens, der Bundesregierung inzwischen jegliches Gespür abhanden gekommen ist. Schlimmer, dümmer und unverfrorener geht es eigentlich nicht mehr. Die Bundesregierung, so scheint es, läßt kein Fettnäpfchen aus, wenn es nur darum geht, kräftig genug hineinzutreten.

Die Verachtung, mit der die Regierung Kohl die Öffentlichkeit behandelt, wobei diese Regierung gegenüber fast allen Problemen, zu deren Lösung sie sich angeboten hat, nach wie vor ohne Konzept dasteht, sollte eigentlich die große Chance für die Opposition sein.

Waffen „made in West Germany“ scheint wieder das Schlagwort geworden zu sein. Unser Land ist wieder ins Gerede gekommen

-als Lieferant für Kriegstechnik und -technologie. Große Unternehmen stoßen sich gesund am Geschäft mit dem Tod. Die Bundesregierung ist mittenmang dabei: duldend und oft genug auch aktiv fördernd. Und erst kürzlich sponserte die Koalition den Zusammenschluß von Daimler-Benz und MBB zum Rüstungsgiganten Nummer eins mit Milliardenbeträgen. Wo bleibt denn eigentlich die Verpflichtung der Bundesregierung, keine Rüstungsgüter in Spannungsgebiete zu gestatten?

Jetzt zeigt sich erneut, daß die Planungen, Kolas einzusetzen, schon sehr weit gediehen waren. Fast 100 Millionen Mark sind bisher für die Vorplanungen ausgegeben worden. Einen Tag nach Bekanntwerden der Geheimstudie, die sogar an den Verteidigungsausschuß vorbeiging, waren es einmal mehr die Journalisten der ARD-Sendung Report, die mit wachem Gespür diesen erneuten Skandal aufdeckten. Es wird höchste Zeit, daß die Bundesbürger kritischer werden.(...)

Karl Kirchner, Würzburg