: Diepgen läßt Momper mit der AL allein
■ Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen hat vorerst Koalitionsgespräche mit der SPD aufgekündigt / Reaktion auf Momper-Äußerung, Zusammenarbeit mit CDU sei „letzter Ausweg“ / AL sieht jetzt konkrete Chancen für neue Stadtpolitik
Berlin (taz) - Die Berliner CDU hat gestern mit einem Knall die Tür zu weiteren Gesprächen mit der SPD zugeschlagen. Der CDU-Landesvorsitzende und amtierende Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen teilte in einem Brief an den SPD-Chef Walter Momper kurzerhand mit, die für Donnerstag vorgesehene Gespächsrunde sei abgesagt. Empört berief er sich auf eine Erklärung des SPD-Landesvorstands, der die Entscheidung der AL zur Verhandlung mit der SPD begrüßt und eine Zusammenarbeit mit der CDU als „letzten Ausweg“ bezeichnet hatte. So ginge das nicht, befand Diepgen und erklärte, eine „Fortsetzung erfolgversprechender Gespräche zwischen der CDU und SPD“ sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt „nicht sinnvoll“. Prinzipiell sei er jedoch „aus Verantwortung vor der Stadt“ weiterhin bereit, „der CDU eine gegebenenfalls zeitlich begrenzte Zusammenarbeit mit der SPD zu empfehlen“.
Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie „in der Zusammenarbeit mit der CDU für Berlin eine Politik der Mitte gestalten will oder im Zusammengehen mit der AL eine Koalition mit extremen Positionen anstrebt“. Dazu gehören für Diepgen die ungeklärte Haltung der AL in den Fragen, die die SPD als „Essentials“ formuliert hatte: die Rechtseinheit mit dem Bund, die Ablehnung von Gewalt und ein Bekenntnis zur Präsenz der Alliierten.
Indigniert führte Eberhard Diepgen weiter Punkte aus dem AL -Wahlprogramm auf: das Wirtschaftsprogramm, die Entwaffnung der Polizei und die Abschaffung der Haftanstalten. Für ihn sei es „schwer nachvollziehbar“, wie die SPD mit solch einer Partei zusammenarbeiten könne.
Verhandlungen zwischen Partnern „mit jeweils weit auseinanderliegenden Positionen“ seien nicht denkbar und „geraten in den Verdacht einer reinen Alibi-Rolle“, schrieb der Regierende beleidigt.
Walter Momper wertete gestern abend vor der Presse den Brief „eindeutig als Absage an die Große Koalition“. Auch er sprach von der „Verantwortung für die Stadt“, der sich die CDU nunmehr entzogen habe. „Wer uns vorwirft, auf dem hohen Roß zu sitzen“, warnte Momper, „der soll aufpassen, daß er nicht vom Pony fällt.“ Ganz staatsmännisch erkannte der Regierende in spe an, daß Eberhard Diepgen immerhin lange Zeit versucht habe, „sich seiner Verantwortung für Berlin zu stellen“. Nicht an ihm, sondern an den Parteirechten wie Heinrich Lummer, Klaus Franke und Dankward Buwitt, die „gleich nach der Wahl aus der Verantwortung herauswollten“, habe es wohl gelegen, daß die CDU nicht weiterverhandeln wolle.
Ähnlich wie Eberhard Diepgen, der sich in seinem Brief die Hintertür für Koalitionsgespräche doch noch einen Spalt weit offenhielt, schloß auch Walter Momper nicht aus, daß man sich wieder an einen Tisch setzen könnte. Allerdings müsse die Initiative jetzt von der CDU ausgehen. Er könne sich jedenfalls nicht vorstellen, „daß man wieder so tun kann, als sei nichts gewesen“.
Momper warf der CDU eine „Politik der verbrannten Erde“
vor. Formulierungen aus dem CDU-Parteiblatt vom Wochenende, wie „Machtergreifungstrategie der SPD“ oder „stalinistische Methoden“ vergifteten das politische Klima. Dabei habe er
doch gerade der CDU vorschlagen wollen, für die ersten zwei Jahre den ParlaFortsetzung auf Seite 2
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mentspräsidenten zu stellen. Eindringlich appellierte der SPD-Chef in Richtung AL, wenigstens sie möge nun doch „mit noch größerer Ernsthaftigkeit und noch größerem Verantwortungsbewußtsein für die Stadt die Verhandlungen führen“.
Die ALternative Liste zeigte sich hocherfreut von dem so schnell nicht erwarteten Gang der Dinge. Es entspreche schließlich einer Forderung der AL, daß die SPD nicht weiter mit Politikern wie „Diepgen, Kewenig und anderen“ über die weitere Beteiligung an der Macht verhandeln kann. Sie werde jedenfall die Chance nutzen, mit der SPD „gemeinsam eine neue Stadtpolitik für
Westberlin einzuleiten“.
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