Asylrecht: Panikreaktion der Union

■ SPD-Sprecher Penner: Die neuerliche Debatte um eine Verschärfung des Asylrechts geht an den tatsächlichen Problemen vorbei / Internes Unions-Papier erläutert den Vorstoß der Koalition

Bonn (taz) - Als „weitgehend irrational“ bezeichnete der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wilfried Penner, die gegenwärtige Debatte zur Verschärfung des Asylrechts gegenüber der taz. CDU/CSU und in ihrem Gefolge auch die FDP unterschlagen bei ihrer Stimmungsmache, daß die geforderte „zügige Abschiebung abgelehnter Asylbewerber“ rechtlich gar nicht möglich ist und auch durch eine neuerliche Veränderung des Asylverfahrensrechts nicht zu erreichen sei. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Johannes Gerster, hat inzwischen klargestellt, daß seine Vorschläge nicht in neuerliche Gesetzesinitiativen münden sollten. Im Kern gehe es ihm um die Beschleunigung der Asylverfahren, die konsequentere Abschiebung abgelehnter BewerberInnen und die Einführung des Visumzwangs für Jugoslawen. Die CDU/CSU hat mittlerweile eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit den Vorschlägen weiter befassen soll.

Penner stellte dazu fest, die SPD habe im Prinzip nichts gegen eine Beschleunigung der Asylverfahren, doch würde auch dies an der Anzahl der letztlich zu Recht in der BRD bleibenden Flüchtlingen nichts ändern. Abgelehnte Asylbewerber erhalten in 80 Prozent aller Fälle ein sogenanntes „kleines Asyl“ nach Paragraph 14 des Ausländergesetzes. Darin ist geregelt, daß abgelehnte AsylbewerberInnen aus humanitären Gründen in der Bundesrepublik geduldet werden. Dies betrifft diejenigen Flüchtlinge, denen eine Rückkehr in ihre Heimatländer nicht zugemutet werden kann, weil dort zum Beispiel bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herrschen. Dies betrifft zur Zeit Tamilen, Libanesen, Iraner, also die größten Flüchtlingsgruppen, wenn man von den osteuropäischen Ländern absieht. Einzig für Angehörige dieser Länder, so Penner gegenüber der taz, sei es angesichts der veränderten politischen Situation möglich, abgewiesene Asylbewerber konsequenter abzuschieben. Selbst wenn die Bundesregierung die Humanitätsklausel im Ausländerrecht streichen würde, bliebe noch die von der BRD ratifizierte Genfer Flüchtlingskonvention, die den Flüchtlingsbegriff weiter fasse, als die herrschende Rechtsprechung politische Verfolgung definiert. Er glaube jedoch nicht, so Penner weiter, daß die Bundesregierung ernsthaft daran denke, die Flüchtlingskonvention zu kündigen.

Die am Wochenende von Gerster eingebrachten Vorschläge sind zum Teil bereits in einem Papier des Bundesfachausschusses Innenpolitik der Union vom 19.12.88 enthalten. Das bislang interne Papier, überschrieben mit „Leitlinien zur Ausländer und Asylpolitik“, das der taz vorliegt, fordert bereits, „diejenigen (Asylsuchenden) sind mit großer Entschiedenheit zur Rückreise in ihre Heimat zu veranlassen, deren Anträge auf politisches Asyl rechtswirksam abgelehnt worden sind“. Darüber hinaus fordern die CDU-ler, „bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen muß eine bestandskräftige Ablehnung schon an der Grenze vorgenommen werden können“.

Konzilianter zeigen sich die CDU-Innenpolitiker gegenüber den bereits hier lebenden ImmigrantInnen. Erstmals ringen sich namhafte CDU-Innenpolitiker - den Vorsitz des Bundesfachausschusses hat der noch amtierende Berliner Innensenator Kewenig - zu dem Eingeständnis durch, „die von uns gewollte Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer (...) hat sich im Ergebnis als Einwanderung ausgewirkt“. Daraus müßten Konsequenzen gezogen werden, die über die Vorschläge, die Bundesinnenminister Zimmermann für ein neues Ausländerrecht gemacht hatte, hinausgehen. Einig sind sie sich dagegen mit Zimmermann in der Abwehr weiteren Zuzugs von Ausländern. „Es muß dabei bleiben, daß ein weiterer Zuzug von Ausländern grundsätzlich ausgeschlossen ist.“ Ausnahme: „Etwas anderes gilt für die Ehegatten und Kinder der in den letzten Jahrzehnten eingereisten Ausländern, die zum größten Teil von uns angeworben wurden. Diesen haben wir den Daueraufenthalt gestattet und damit eine Integrationszusage gemacht. Deshalb ist deren Ehegatten sowie Kindern bis zur Vollendung des 16.Lebensjahres der Nachzug zu gestatten.“ Das besondere Interesse der CDU-Integrationspolitiker gilt der zweiten und dritten Generation der hier aufgewachsenen oder geborenen AusländerInnen. Ihnen soll „grundsätzlich ein Daueraufenthaltsrecht gewährt werden“. Darüber hinaus will die CDU Jugendlichen, die mit ihren Eltern in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind, eine Rückkehrmöglichkeit innerhalb von drei Jahren eröffnen.

Der Ehegattennachzug für die zweite und dritte Generation soll ohne die jetzt praktizierte Wartefrist genehmigt werden, wenn der Ehepartner einen verfestigten Aufenthaltsstatus hat. Insbesondere will die CDU für die junge Ausländergeneration die Arbeitserlaubnisfreiheit einführen und Bafög gewähren. Letztlich, so die CDU, ziele eine erfolgreiche Integration aber auf die Einbürgerung, die deshalb erleichtert werden soll. Im Einzelfall könne dabei auch hingenommen werden, „daß hier geborene und aufgewachsene Ausländer noch ihre angeborene Staatsbürgerschaft behalten“. Bei einer doppelten Staatsbürgerschaft müsse der Wehrdienst allerdings in der BRD abgeleistet werden.

Jürgen Gottschlich