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Gentechnischer Versuch mit krebskranken Patienten

Im ersten gentechnischen Eingriff am Menschen soll ein Bakterien-Gen, das Resistenz gegen das Antibiotikum Neomyzin verleiht, in bestimmte Antitumor-Zellen von Krebskranken eingesetzt werden. Es handelt sich um einen Eingriff, der nicht den Versuchspersonen selbst, möglicherweise aber zukünftigen Krebspatienten von Nutzen sein kann.

Die Bildung der als Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TIL) bekannten Zellen ist eine körpereigene Abwehrreaktion gegen bösartige Tumoren. Schon heute gibt es eine Form der Krebstherapie, in der diese Reaktion künstlich verstärkt wird, indem den Patienten TIL-Zellen entnommen, im Labor angereichert und dann dem Kranken über die Venen wieder zugeführt werden.

Diese Therapie ist bei manchen Patienten erfolgreich, nicht aber bei anderen. Warum dies so ist, wollen die Mediziner Steven Rosenberg und French Anderson vom regierungseigenen „Nationalen Gesundheitsinstitut“ (National Institute of Health, NIH ) jetzt mit dem umstrittenen gentechnischen Experiment herausfinden.

Die von Patienten gewonnenen TIL-Zellen wollen sie während ihrer Vermehrung im Reagenzglas markieren, und zwar mit dem Bakterien-Gen für Neomyzinresistenz. Die markierten TIL -Zellen, die menschliches und bakterielles Erbgut enthalten, können im Körper des Patienten verfolgt werden. Ihr Verhalten soll den Medizinern Hinweise über den Verlauf der TIL-Therapie geben.

Das Experiment ist für zehn Krebspatienten, deren Lebenserwartung nicht höher als drei Monate ist, zugelassen worden. Die Versuchspersonen müssen über den Eingriff aufgeklärt werden und ihre Zustimmung erteilen. Die Zahl der Versuchspersonen wurde auf zehn beschränkt, weil wenig über die potentiellen Nebenwirkungen des Eingriffs bekannt ist.

Verschiedene Mitglieder des für die Zulassung des Versuchs verantwortlichen „Beratungskomitees für gentechnische Fragen“ hatten beanstandet, daß der Eingriff nicht zuerst in Tierversuchen geprüft worden ist. Deshalb auch werden nur Patienten verwandt, deren Lebenserwartung sehr kurz ist, weil dann eventuelle gefährliche Nebenwirkungen nicht mehr zum Tragen kommen können.

Allerdings mußten die Mediziner einräumen, daß es schwierig ist, die Lebenserwartung von Patienten hinreichend exakt vorauszusagen. Einige der Beratungskomitee-Mitglieder äußerten angesichts dieser Einschränkungen Zweifel über den Sinn und Nutzen des Experiments.

Dennoch sprachen sich letzendlich alle 25 Mitglieder des Komitees für die Genehmigung aus, weil - so drückt es Robert Erickson von der Medizinischen Fakultät der Universität Michigan aus - „es nicht unsere Aufgabe ist, den potentiellen Nutzen dieser Experimente zu bewerten, sondern ihre Sicherheit“.

Silvia Sanides

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