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Die Angst der AL vor der Macht

■ Der Delegiertenrat diskutierte die politische Lage nach dem Abbruch der CDU/SPD-Verhandlungen / Jetzt wird jede Äußerung eines AL-Politikers auf die Goldwaage gelegt / Entfernen sich die AL-Verhandler vom Rest ihrer Basis?

Seit die CDU sich aus den Koalitionsverhandlungen der SPD zurückgezogen hat, weht der Wind der Alternativen Liste schärfer um die Nase. „Bisher konnten wir so vor uns hindümpeln“, warnte am Mittwoch abend Birgit Arkenstette beim Delegiertenrat der AL, jetzt beginnt die Kampagne von Rechts.

Den Auftakt machte CDU-Scharfmacher Klaus-Rüdiger Landowsky. Noch an der Macht befand er jedenfalls mit der Großzügigkeit des sich sicher Fühlenden, die AL sei die einzige Partei der Opposition, die Ideen für die Stadt habe. Die CDU habe in der Auseinandersetzung mit der Liste profitiert. Heute hat sich das Blatt gewendet. Heute wird die AL nicht nur von der CDU, sondern auch von einem Teil der Medien „bestenfalls als pubertierende Halbwüchsige“, „schlimmstenfalls als Chaoten“ eingeschätzt. Birgit Arkenstette ist am Mittwoch abend eine der Wenigen, die dem ins Gesicht sieht. Zwei Stunden lang lenkte sich der Delegiertenrat mit Formalien und Kleinkram von der notwendigen Debatte ab.

Als „Panikmache“ empfanden dann auch die Mehrzahl der Delegierten die drängende Aufforderung von Teilen der Verhandlungskommission, jetzt erneut über das, was die Liste in den Gesprächen mit der SPD erreichen soll, zu diskutieren. „Wir haben doch gewußt, daß die Kampagne von Rechts kommen wird“, war die überwiegende Einschätzung, und man suchte sich selbst zu beruhigen: „Mit den Spielchen zwischen SPD und CDU haben wir nichts zu tun.“

Weit gefehlt. Die Tatsache, daß die Verhandlungen zwischen CDU und SPD abgebrochen wurden, hat weitreichende Folgen für die Alternative Liste. Die SPD, die ihre dem rot-grünen Projekt skeptisch gegenüberstehende Basis bislang durch die wie ernst auch immer gemeinten Verhandlungen mit der CDU ruhighalten konnte, hat jetzt, da sie nur noch mit der AL verhandelt, Integrationsprobleme. Jede öffentliche Äußerung eines ALers wird jetzt den Sozialdemokraten angelastet.

Die müssen sich jetzt vor ihrer Basis für ihre einzige Verhandlungspartnerin rechtfertigen. Die Quittung kam postwendend. Landesgeschäftsführer Kremendahl formulierte eine scharfe Presseerklärung gegen die AL-Fundis Fries und Meneses wegen deren Äußerungen auf der Fraktionssitzung der Grünen zur Gewaltfrage.

Wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir die Spannung zwischen AL und SPD aushalten können“, drängte am späten Abend noch einmal Harald Wolf die Delegierten in die Debatte. Und auch Assi Geese fürchtete, man lasse jetzt die Verhandlungskommission mit dem Druck von seiten der Öffentlichkeit und der SPD alleine.

Doch daran werden sich diejenigen, die derzeit die Drähte ziehen, gewöhnen müssen. In Lichtgeschwindigkeit entfernen sich zur Zeit die „Verhandler“ vom Rest der AktivistInnen. Das ist nicht nur dem Zeitdruck geschuldet. Die Erfahrungen, die augenblicklich in den Gesprächen mit der SPD gemacht werden, lassen sich kaum vermitteln.

Es ist schon nahezu anachronistisch, wenn am Mittwoch abend ein Delegierter fragt, wo er sich denn noch einklinken könne, wenn er Anregungen geben möchte. Und Albert Statz weiß auch, daß es Hilflosigkeit ist, die ihn zu der Antwort bringt: „Rennt mir die Bude ein.“ Bleibt am Ende der Appell von Assi Geese nach einer „Strukturdebatte“ in der AL: „Da muß sich was ändern.“

bf

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