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Hetzjagd auf §218-GegnerInnen

■ Fristlose Kündigung für einen Arzt, der sich öffentlich für die Abschaffung des Paragraphen 218 einsetzt Staatsanwaltschaften in Köln und Bonn ermitteln gegen UnterzeichnerInnen der 'stern'-Unterschriftenliste

Berlin (taz) - Weil sein Name auf der Unterschriftenliste im 'stern‘ stand, auf der sich Ärzte für die Abschaffung des Paragraphen 218 aussprechen, wurde dem Arzt Peter Schröder jetzt gekündigt. Die Leitung des katholischen Elisabeth Krankenhauses in Bochum sprach sofort mündlich eine fristlose Kündigung aus, als sie den Namen ihres Arztes vergangene Woche auf der Liste entdeckte. Vor zwei Tagen erhielt es Schröder schriftlich. Weil er sich „für die Abschaffung des §218 eingesetzt“ habe, werde er fristlos gekündigt. Der Arzt wird dagegen arbeitsrechtliche Schritte einleiten.

Auch die Justiz verfolgt die Selbstbezichtigungskampagne gegen den Paragraphen 218 genau. Die Staatsanwaltschaften Bonn und Köln leiteten mittlerweile Ermittlungen gegen die unterzeichnenden Frauen und Männer in ihrem Bezirk ein. In Bonn sind davon auch Bundestagsabgeordnete der Grünen und der SPD betroffen. Bei den Grünen sind dies Verena Krieger, Jutta Oesterle-Schwerin, Regula Bott, Ellen Olms und Uli Briefs. Bei der SPD bestätigten die Abgeordneten Freimut Duve, Karsten Voigt, Wolfgang Roth, Katrin Fuchs und Monika Ganseforth den Eingang eines Schreibens der Staatsanwaltschaft mit der Aufforderung zur Stellungnahme. Während die Staatsanwälte in Köln (sie ermitteln gegen 21 UnterzeichnerInnen) von sich aus ihre Ermittlungen aufnahmen, reagierte die Bonner Justiz auf zwei Strafanzeigen, die Ärzte stellten. Einer der beiden, ein Dr.Scherer aus Unkel, ist allerdings in diesem Ort nicht bekannt. Aber die Ermittlungen - einmal ins Rollen gekommen

-werden nicht gestoppt, wenn sich herausstellen sollte, daß es diese Person gar nicht gibt und sich nur ein anonymer Abtreibungsgegner hinter diesem Namen versteckt. Weil ein Verstoß gegen den Paragraphen 218 als Offizialdelikt gilt, werden die Ermittlungen auf jeden Fall zu Ende geführt. Außerdem unterrichteten die Bonner Staatsanwälte in Briefen alle anderen Staatsanwaltschaften über die Selbstbezichtigung von Frauen und Männern, gegen den Paragraphen 218 verstoßen zu haben. Damit sind alle Staatsanwaltschaften formal verpflichtet, nachzuprüfen, ob eine „strafbare Handlung“ in ihrem Bezirk vorliegt. Zu erwarten ist deshalb, daß alle UnterzeichnerInnen der 'stern'-Aktion Briefe vom Staatsanwalt bekommen, möglicherweise auch zu einer Vernehmung vorgeladen werden.

Die Grünen rufen dazu auf, keinerlei Aussagen zu machen, und wollen neue, regionale Selbstbezichtigungskampagnen initiieren. Je mehr Frauen und Männer sich bekennen würden, desto geschützter seien die/der einzelne.

Die Selbstbezichtigungsanzeige, die am 10. und 11.Januar in der taz erschien, zog bislang keine Ermittlungen nach sich. In diesem Text blieb offen, ob die UnterzeichnerIn selbst abtrieb oder „nur“ den Paragraphen 218 für frauenfeindlich hält.

Gunhild Schöller

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