: Schwulenbeauftragter gefordert
■ „Ratschlag“ der Schwulen für eine rosa-rot-grüne Zukunft / Ein Schwulenbeauftragter könne eine „ungeheure Signalwirkung“ haben / Auch öffentlich finanziertes Schwulenzentrum soll her
Einstimmig wurde auf dem „Schwulenpolitischen Ratschlag“ als zentrale Forderung die Einrichtung einer Stelle eines Schwulenbeauftragten erhoben. Vergleichbar einer Frauenbeauftragten soll der Schwulenbeauftragte allerdings die besonderen Belange schwuler Männer vertreten, ihrer Diskriminierung entgegenwirken und die Akzeptanz schwuler Lebensweisen in der Bevölkerung erhöhen. Der Schwulenbeauftragte müßte aber dazu an hoher Stelle angesiedelt sein und mit einem eigenständigen Öffentlichtsarbeitsrecht ausgestattet werden, hieß es.
Zu dem „Ratschlag“ hatten die schwulen AL-Abgeordneten Albert Eckert und Dieter Telge eingeladen. Gekommen waren dann am Freitag letzter Woche über 40 Schwule, die in unterschiedlichen Schwulengruppen mitarbeiten. Von der Ernennung eines Schwulenbeauftragten würde jedenfalls „eine ungeheuere Signalwirkung“ ausgehen, meinte ein Teilnehmer der Veranstaltung. Das neue schwule MdA Albert Eckert möchte darüber hinaus damit auch den „Einstieg in eine rot-grüne Lebensformenpolitik“ schaffen. Eventuell könnten aber dann in einer „Landesstelle für Lebensformenpolitik“ die Frauenbeauftragte, ein Schwulenbeauftragter und, falls die Berliner Lesbengruppen dies wollen, eine Lesbenbeauftragte zu Formen der Zusammenarbeit finden.
Besonders bekräftigt wurden weitere Forderungen: Ein rot -grüner Senat solle im Bundesrat eine Initiative zur Streichung des § 175 StGB einbringen. Die DDR habe ihren Homosexuellenparagraphen gerade gestrichen, während in der Bundesrepublik der Paragraph noch immer existiere. Zudem müsse es eine Amnestie aller wegen einvernehmlicher Sexualität Verurteilten geben. Weiterhin sei ein mit öffentlichen Geldern finanziertes Schwulenzentrum, das in anderen Großstädten wie Köln oder Stockholm schon länger selbstverständlich sei, endlich auch in West-Berlin einzurichten.
Kontroversen kamen lediglich über das Verhältnis von Aids -Politik und Schwulen-Politik auf. Die sehr emotional vorgetragene These, daß Aids-Politik Schwulen-Politik sei und Schwulen-Politik zusehends Aids-Politik werden müsse, wurde von den Anwesenden so nicht allgemein geteilt. Allerdings wurde einstimmig an das Treffen der Berliner Schwulen-Gruppen (TBS) die Forderung ausgesprochen, den Forderungskatalog an einen neuen Senat um Aids-Politik zu erweitern. Bisher wurde in diesem Sieben-Punkte-Katalog nur die Forderung erhoben, daß der Diskriminierung von Menschen mit Aids entgegenzuwirken sei.
In einem erweiterten Forderungskatalog des TBS solle aber ein Top-Aids-Projekt die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung und Betreuung von Aids-Kranken sowie Bundesratsinitiativen zur Ausweitung der Aids-Forschung und zur unkomplizierteren Genehmigungspraxis von Aids -Therapeutika besondere Berücksichtigung finden.
Generell bestand auf der Veranstaltung allerdings ein sehr hohes Maß an Übereinstimmung. Sozialdemokratische Schwule nahmen an der Veranstaltung ebenfalls teil und kündigten an, sich als „Schwusos“ innerhalb ihrer Partei für die schwulenpolitischen Forderungen stark zu machen.
Insgesamt herrschte bei den Diskutanten eine optimistische Grundeinstellung vor. Die Erfolgsaussichten von Schwulen -Politik seien angesichts der neuen Kräfteverhältnisse in der Stadt größer geworden. „Das macht Mut“, sagte ein Teilnehmer.
Robert Kohler
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