Widerstand fehlte die „Intensität“

Freispruch im Prozeß nach Massenfestnahme im Göttinger Jugendzentrum / Von 400 Personen wurden die Personalien aufgenommen / Verwaltungsgericht bezeichnet Polizeieinsatz als „illegal“  ■  Aus Göttingen Susanne Brahms

Mit einer dem „Rechtsfrieden dienenden Entscheidung“, so hoffte Richter Bernd Kracke, ging am Freitag nachmittag in Göttingen ein Prozeß wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zu Ende. Das Verfahren wurde eingestellt.

Der Prozeß gegen die 24jährige Studentin Miriam S. Stand im Zusammenhang mit einem mittlerweile zwei Jahre zurückligenden Ereignis. Im Dezember 1986 stürmte die Göttinger Polizei das Jugendzentrum Innenstadt (JUZI), wo sich rund 400 Leute zu einer Informationsveranstaltung versammelt hatten, um die Räumung von drei besetzten Häusern zu diskutieren. Von allen Personen wurden die Personalien aufgenommen und Polaroidfotos gemacht. Die Göttinger Polizei lieferte eine magere Begründung für den rabiaten Einsatz: Angeblich habe man einen Störsender im JUZI vermutet, wofür sich später allerdings keinerlei Anhaltspunkte finden ließen. Inzwischen ist das Vorgehen der Polizei vom Braunschweiger Verwaltungsgericht für illegal erklärt worden und daher, so die Argumentation des Verteidigers, auch die Anklage hinfällig. Darauf wollte sich der Richter Kracke aber nicht einlassen, da sie „schließlich an den Rand rücken würde, was uns eigentlich interessiert“: der Widerstand gegen die Staatsgewalt nämlich.

Bei der Verhandlung wurden einige interessante Details über den Einsatz bekannt. So wurde beispielsweise der Richter, der die Razzia absegnen mußte, schlicht über das Ausmaß der Durchsuchung von Polizei und Staatsanwaltschaft belogen. Ihm sei berichtet worden, daß sich im JUZI der „harte Kern“ der Hausbesetzerszene versammelt hätte, worunter er sich, ob aus Naivität oder nicht, eine Anzahl von zehn bis 15 Personen vorgestellt habe.

Auch der gestern geladene Zeuge, Kriminalhauptkommissar Oxmann, gab zu, daß die Personalien „bundesweit abgeglichen“ worden seien, um das Problem der „autonomen Reisechaoten“ in den Griff zu bekommen.

Letztendlich wurde das Verfahren jedoch nicht aufgrund der erwisenen Unrechtmäßigkeit der Razzia eingestellt, sondern weil die Gegenwehr von Miriam nun doch gar so heftig nicht gewesen sein kann. Man habe sich wohl in der „Intensität“ des Widerstands getäuscht.