: Öko-Rinder kommen ins Hollerland
■ „Rindergilde Hollerland“ will in Zusammenarbeit mit Bürgerinitiative, BUND und Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft im Hollerland Rinder züchten / Galloway-Rind schont die Natur und frißt Binse / Frühzeitig Filet-Stückchen sichern
Das Naturschutzgebiet Hollerland droht zu verkommen - wenn die städtischen UmweltschützerInnen es nicht landwirtschaftlich nutzen. Auf diese paradoxe For
mel läßt sich bringen, was Vertreter des Bundes Natur- und Umweltschutz (B.U.N.D.), Erzeuger- und Verbraucher -Genossenschaft und der Bürgerinitiative
zur Erhaltung des Hollerlandes gestern der Presse vortrugen.
Fachkundigen Spaziergänger Innen im Hollerland bleiben die „Sünden der Landwirtschaft“ in den unter Natuschutz stehenden Flächen kaum verborgen: Wiesen „verbrachen“, weil sie nicht mehr agrarisch genutzt werden, Gräben werden an der einen Stelle nicht gepflegt, an der anderen gelangt Düngemittel hinein, die Binse wuchert Folgen davon, daß die landwirtschaftlichen PächterInnen der Flächen, die im wesentlichen Wohnungsbau-Gesellschaften und der Treuhand-Versicherungsgesellschaft gehören, ihr Interesse verlieren. Da die BesitzerInnen bei Erwerb in den 60er Jahren hier Wohnungen bauen wollten und die Wiesen pachtfrei überließen, fallen die Feuchtwiesen auch nicht zurück - einen genauen Überblick scheint auch die Naturschutzbehörde nicht zu haben.
Den von den Naturschützern geschätzte Zustand der Feuchtwiesen ist aber erst durch Rodung entstanden und kann nur durch extensive Nutzung erhalten werden. Bremer UmweltschützerInnen wollen deswegen jetzt zur Selbsthilfe greifen. Sie pachteten ein vier Hektar großes Pionierstück feuchter Wiesen direkt östlich vom Kuhgrabenweg, um das Experiment „Galloway„-Zucht zu beginnen. Galloway ist ein schottiges Rindvieh mit dem un
schätzbaren Vorteil, schlicht alles von der Wiese zu fressen einschließlich der Binse. Auch im Winter können die Galloways draußen bleiben.
In der Nähe Lübecks haben NaturschützerInnen schon mit dieser Tierart gearbeitet, die BremerInnen wollen dort in ein paar Wochen eine Kuh „Kitty“ kaufen, die
ein Kalb mitbringen wird. „Das könnte durchaus auf 'Kleinevi‘ getauft werden“, kokettiert Deichhauptmann Gerold Janssen. Mit „K“ muß der Name nach Rindvieh-Tradition anfangen. Aus den beiden soll eine Herde werden, wenn alles klappt.
Betrieben wird die kleine Rinderzucht von der „Rindergilde Hollerland“, die von dem Diplombiologen Johann Schettler -Wiegel, dem Deichhauptmann Gerold Janssen, Jutta Draub von der Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft und dem Anwalt Erhard Heimsath gegründet wurde. Die „Rindergilde“ will die Pflege der Tiere organisieren, zum Bewußtsein über die Erhaltung des Hollerlandes beitragen und nicht zuletzt bei Schlachtungen die Filet-Stücke unter sich verteilen - denn Galloway-Rinder haben die Würze der Wildkräuter. Die hochwertige, hormonfreie Zucht verspricht besonders wertvolles Fleisch.
Die Galloway-Zucht soll so organisiert sein, daß Bauern mit Flächen im Hollerland darin für sich ein ökonomisch tragfähiges Modell sehen können. Solange die Galloway-Herde noch wächst, will die Gilde jeweils im Frühjahr zwei einjährige „Rotbraune“ von einem Biobauern kaufen, die rechtzeitig vor dem Winter geschlachtet werden soll. (Kontakt: J. Schnettler, Lilienthaler Heerstr. 218, Bremen)
K.W.
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