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RIECHERINNERUNGEN

 ■  Im Vaterleib oder Chemie und Jasmin

Ich hatte Jasminöl mitgenommen - des Silvestervorsatzes eingedenk: Experimente mit mir selber, mit allen meinen Sinnen und, besonders 'natürlich‘, mit dem vierten und fünften. Wo bin ich? Im Dunkel des Schwebetanks.

„Wer bin ich?“ (Als Sticker an der Eintauchtür) - Das weiß ich (noch) nicht. Es riecht nach Chlorkalk. Bin ich tot? Ich hebe den Kopf über die Salz'Wasser'Fläche, horche. Nichts als leise, ferne Motoren, von Heizungsrohren hergetragen. Ich taste mit schwerknochigen Händen: Kanten, Geraden, rechte Winkel, die Wasser-Fläche. Als meine Hände in der schlüpfrigen Bittersalzlake zwei Rohre von unterschiedlicher Dicke umfassen, steigt auf die Erinnerung - kann es eine sein? - ich bin im Vaterleib.

Im Zentrum des Patriarchates. Mein Jasminduft viel zu zart, kann gegen das Chlor nicht anstinken. Mehr, das an den Jasminblüten, was dem Geruch von Exkrementen ähnlich ist, wird schleunig zersetzt von diesem Desinfektionsstoff.

Der Intellekt war an der Dusche vorher abzugeben. Ich habe das nicht gewollt/fertiggebracht. Jetzt be'obachte‘ ich vor meinen Nasenlöchern den ungleichen Kampf Jasmin gegen Chlor -Element.

Versprochen war mir das Abschotten aller Sinnenreize. Hätte ich doch ein stechend riechendes Aftershave in den - bei Licht besehen blaugrünen - Pool eingeführt.1 Das wäre ein Gefecht geworden zum Zuriechen.

Riecherinnerungen? Immer. Als Kind von fünf zum ersten Male die ehemalige Scheune betreten, in der unsere „Kunstdünger„ -Vorräte lagerten. Aufregende Reizung der Atmungsorgane: Das also ist, das kann Kunst! Weizen schneller, besser, höher wachsen lassen. Weizenblüht. Dieser stimulierende Duft von...Kali...: Chemie, Fortschritt, Zivilisation, Glück.

Später auf den Stadtautobahnen um New York wiedererlebt, beim ersten Schnuppern dessen, was, wie ich heute weiß, SMOG war; chemische Reaktionen in der Atemluft, aus Sauerstoff, Kohlendioxyd und Stickstoff mit Verbrennungsgasen. Der Duft von Abenteuer und - Leben. Vieles was einen anfangs fasziniert, lernt man später hassen. Das Flickerlicht im Nilly Vanilly, einem Disko-Vorläufer in Berlin (West). Jetzt augennah wiedererlebt bei den Elektro-Stimulationsgeräten von Relax Berlin.2 Hier soll, mit einer Art Gegenteil der Isolation im Schwebetank, ganz ähnliches erreicht werden. Streßabbau, Tiefentspannung, „topfit“ durch Stimulierung des Hirns via die zwei Herrensinne. Hören und Sehen vergehen einmal durch Isolation, einmal durch Überstimulation. Nase (M)und Haut bleiben - im Tank und der Brain-Machine - Maria hat geholfen - unbefleckt.

Ich schleppte Rosenöl ins Mind-MachineStudio - ganz legal. Es paßte aber nicht ins Programm. Und durch die Ton- und Lichtreize, über Ohr/Augenbrillen induziert, zersetzte sich mein Duft der Rose in seine - glaube ich - chemischen Bestandteile. Vergebens suchte ich mich in einen Rosengarten zu versetzen.

1 Schmuggeln erwies sich als überflüssig. KeineR ahnte/achtete auf Olfaktorien.

2 Telefon 030-213 18 64

Nasenbär

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