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Gericht mag Werner Mauss nicht hören

„Superagent“ drängt sich im Prozeß gegen den hannoverschen Juwelier Rene Düe vergeblich als Zeuge auf / Heute plädieren vor dem Landgericht Braunschweig Anklage und Verteidigung / Auch Staatsanwalt will Mauss „vor Falschaussage bewahren“  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

„In der Strafprozeßordnung ist nicht vorgesehen, daß sich ein Zeuge selbst aufdrängt“, kommentierte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Grasemann trocken jene vier Briefe von Werner Mauss, die der Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer des Braunschweiger Landgerichts am 76. Tag des Prozesses gegen den Juwelier Rene Düe verlesen hatte.

Auch dieser zweite Prozeß gegen den hannoverschen Juwelier, der immer noch des Versicherungsbetruges und der Vortäuschung des größten bundesdeutschen Juwelenraubes angeklagt ist, steht nach eineinhalb Jahren Dauer vor seinem Abschluß. Am heutigen 77. Prozeßtag sollen Oberstaatsanwalt Grasemann und die drei Verteidiger des Juweliers plädieren und fest steht schon jetzt: Nach dieser Neuauflage des Düe -Prozesses wird der große Verlierer Werner Mauss heißen.

Seit September 1987 hat die Braunschweiger Strafkammer 56 Zeugen gehört, und fast nichts ist von dem Urteil des Landgerichts Hannover übriggeblieben, das im Januar 1984 auf sieben Jahre Haft für Rene Düe erkannt hatte. Reihenweise widerriefen oder korrigierten die Belastungszeugen ihre Aussagen oder fühlten sich in dem Vorverfahren falsch interpretiert. Erwiesen blieb am Ende nur, daß der schon bald nach dem Raub im Verdacht stehende Juwelier der Versicherung das Wiederauffinden von 15 weniger wertvollen, aber als geraubt gemeldeten Schmuckstücke verschwiegen hatte. Schmuck und Uhren im Wert von mehr als 13 Millionen Mark wurden bei dem Raubüberfall im Oktober 1981 erbeutet. Auf ganze 35.000 Mark beläuft sich der Preis jener 15, zum Zeitpunkt des Raubes nach Angaben des Juweliers zur Reparatur gegebenen Stücke, die Düe schließlich 1982 an Werner Mauss alias „Claude“ übergeben wollte, wobei er dann verhaftet wurde. Mauss hatte ihm damals vorgegaukelt, ein Auftauchen von Beutestücken auf dem Markt würde die Auszahlung der Versicherungssumme beschleunigen.

Runde 800.000 Mark hat der Detektiv Werner Mauss bisher von der Mannheimer Versicherung für seinen Lockspitzeleinsatz gegen Rene Düe erhalten, eine Erfolgsprämie von weiteren 350.000 Mark wäre ihm bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Juweliers sicher gewesen.

Im August 1983, während des ersten Düe-Prozesses vor dem Landgericht Hannover, war ein Ministerialrat aus dem Innenministerium noch per Hubschrauber zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg geeilt, um die Vernehmung des angeblich gefährdeten Zeugen „Claude“ alias Mauss untersagen zu lassen. Nun, im zweiten Düe-Prozeß, in dem zuerst Oberstaatsanwalt Grasemann und dann auch die Strafkammer zu der Auffassung kamen, man könne auf den Zeugen Mauss sehr wohl verzichten, ist der angeblich doch gefährdete Agent auch nicht zufrieden.

Werner Mauss ließ seinen Anwalt Professor Karl Egbert in den vergangenen Wochen an alle Vorgesetzten des Braunschweiger Oberstaatsanwalts Grasemann bis hinauf zum Justizminister schreiben, und auch bei der Strafkammer selbst ging einer jener Beschwerdebriefe ein, die dann am vergangenen Dienstag zum krönenden Abschluß der Beweisaufnahme verlesen wurden: Die Große Strafkammer wurde noch einmal auf ein angebliches Geständnis des angeklagten Juweliers gegenüber Mauss hingewiesen, das der Versicherungsdetektiv angesichts der drohenden Verluste an Geld und Reputation nun natürlich auch vor Gericht bezeugen möchte. In einem Schreiben an den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Braunschweig spricht der Rechtsvertreter des Agenten davon, man solle gegen Ankläger Grasemann doch jetzt wegen Strafvereitelung im Amt ermitteln. Bei dessen unmittelbaren Vorgesetzten kam der Versicherungsdetektiv um eine Unterredung in altbekannter Manier nach: „in den Räumen des Bundeskriminalamtes“.

Der Vorsitzende Richter Günther Friedrich Gartung wies die Mausschen Briefe am vergangenen Prozeßtag lediglich mit der Bemerkung zurück, die Kammer lasse sich nicht nötigen und werde weiterhin unabhängig von Pressionen entscheiden. Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Grasemann glaubt vor allem nicht an das angebliche Geständnis Dües, das von allen weiteren Polizeizeugen, die Mauss dafür angibt, ihm gegenüber nicht bestätigt wurde. Der Oberstaatsanwalt wollte den Versicherungsdetektiv deswegen „vor einer Falschaussage bewahren“. Schon am 70. Verhandlungstag hatte der Oberstaatsanwalt Werner Mauss, dem vom Dienst suspendierten ehemaligen Leiter der Ermittlungsabteilung im LKA, Kriminaldirektor Karl-Heinz Müller und zwei weiteren Kripobeamten vorgeworfen, im ersten Prozeß das hannoversche Landgericht mit gefälschten Beweismitteln getäuscht zu haben: Ein Beschluß zur Telefonüberwachung Dües sei rechtswidrig erschlichen worden, Beweismittel selbst produziert und unwahre Zeugenaussagen wissentlich dem Gericht vorgelegt worden. Die im Braunschweiger Düe-Prozeß beschlagnahmten Akten der Mannheimer Versicherung haben inzwischen zutage gefördert, daß nicht nur Mauss, sondern auch Kriminaldirektor Müller erhebliche Summen von der Versicherungswirtschaft erhalten hat, 83.000 Mark sind auf dem Konto des LKA-Beamten eingegangen.

Für die Verteidigung erklärte am vergangenen Dienstag der Frankfurter Rechtsanwalt Eberhard Kempf, die Briefe von Mauss seien „die letzte Ausuferung einer Methode, die sich der Gängelung der Justiz über Jahrzehnte sicher war und nun die Geldquellen versiegen sieht“.

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