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Standbild: Brenzliges ausgespart

■ Signale: Die häßliche Gewalt - oder wie hilflos ist die Polizei?

(Signale: Die häßliche Gewalt - oder wie hilflos ist die Polizei?, Montag, 20.2., West 3, 21.45 Uhr) Holger Doege ist ein Freund und Helfer der Polizei, wie er in einer Verkehrsfibel für Strichmännchen nicht besser stilisiert ist. Ein Vorbild. Freundlicher geht es kaum noch, wenn er den widerspenstigen und angetrunkenen Autofahrer zum Alkoholtest aus dem Wagen hebt. „Vorsicht, stoßen Sie sich nicht den Kopf, wir halten Sie fest, Sie brauchen keine Angst zu haben.“ Die artigen Gesten sind einstudiert, nur eine Simulation des Ernstfalls. Holger Doege soll lernen, wie er in Streßsituationen trotzdem kontrolliert und rational handeln kann.

Schon auf einer Kreuzung in Wuppertal während des Feierabendverkehrs läßt Holger Doege alle Vorsätze der sanften Psychologie fahren und flucht in sich hinein. „Sie können doch nicht einfach durchfahren“, brüllt er, „spinn‘ ich, nun bleiben Sie hier mal stehen.“ Ein Moment der Hektik, in dem es der Filmautorin Gisela Faure gelungen ist, die vage Grenze zwischen einstudierter Gelassenheit und aggressivem Verhalten näher zu bestimmen. Der Ausbruch von nervösen Überreaktionen, die der Film dokumentieren will, bleibt die Ausnahme. Immer dann, wenn die Situation brenzlig wird, bei der Tiefflugkatastrophe in Remscheid zum Beispiel, muß das Filmteam aussteigen; die Beobachtung, wie die psychologischen Seminare auf die Polizisten wirken, muß zwangsläufig ebenso fragmentarisch wie beschönigend ausfallen. Die Sicherung einer Ölspur, das Verkehrsdelikt einer Frau, die ihre ältere Begleiterin zehn Meter vor einer Ampel über die Straße führt, die Streifenfahrt durch die Fußgängerzone: Das alles mag zwar Auskunft über den Alltagstrott der Beamten geben, den seelischen Druck des Dienstes zeigt es nicht.

Die fehlenden Bilder von der Ausnahmesituation ersetzt Gisela Faure durch Sequenzen einer Berliner Demonstration während der IWF-Tagung. Ein Greifer des Festnahmetrupps grapscht nach einer Frau, erwischt sie am Halstuch, würgt und zerrt sie - immer noch am Halstuch gepackt - zum Mannschaftswagen. Bilder aus einer anderen Wirklichkeit. Unbeherrschtheit und Brutalität. Der Film rückt plötzlich zwei verschiedene Dimensionen von möglicher Polizeigewalt hier der Schlagstockbefehl, dort die Ahndung von Verkehrsverstößen und die Festnahme Krimineller - in einer schiefen Konstruktion zusammen. Als Effekt der Dramaturgie, die mangelnde Brisanz des Streifendienstes in die Extremsituation Demonstration zu steigern, ergibt sich eine merkwürdige Aufwertung der nordrhein-westfälischen Polizei vor Ort. Der menschliche Polizist Holger Droege und die Masse der Behelmten mit Schild und Schlagstock in Berlin und Wackersdorf - ein fataler Vergleich.

Christof Boy

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