piwik no script img

Teheraner Minister besucht München

■ Genscher fordert von Kabinettskollegen Distanz zu iranischen Regierungsmitgliedern / Kulturabkommen auf Eis gelegt / Iran zieht Botschafter ab / Ministerpräsident Mussawi: Mordbefehl gegen Rushdie gilt

Bonn/Teheran/Berlin (ap/afp/taz) - Im April wird in München ein hoher Gast aus Teheran erwartet: der iranische Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung Serajeddin Kazerooni. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher forderte gestern seinen Kollegen vom Bauressort Oscar Schneider auf, auf ein Treffen mit Kazerooni zu verzichten. Damit folgte Genscher einem Beschluß der EG-Außenministerkonferenz vom Vortag. Aus Anlaß der Morddrohungen Khomeinis gegen den britischen Autor Salman Rushdie hatte die Konferenz beschlossen, daß „alle hochrangigen Besuche in beide Richtungen zu unterbleiben“ hätten. Inzwischen hat der Iran seine Botschafter aus den EG -Ländern abgezogen. In der bayerischen Landeshauptstadt wurde bisher allerdings an dem geplanten Besuch aus Teheran nicht gerüttelt. An Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle erging die Bitte, auf einen für Mai geplanten Trip nach Teheran vorerst zu verzichten.

Bis zur Aufhebung der Morddrohung soll auch das im November letzten Jahres geschlossene deutsch-iranische Kulturabkommen nicht in Kraft gesetzt werden. Da das Abkommen aber bislang noch nicht einmal ratifiziert ist, hat dieser Schritt keine praktischen Konsequenzen. Die außenpolitische Sprecherin der CSU-Landesgruppe, Michaela Geiger, und der Bundestagsabgeordnete der Grünen Otto Schily hatten am Montag die Kündigung oder Aussetzung des Abkommens verlangt. Schily forderte darüber hinaus Wirtschaftssanktionen der EG gegen den Iran. Der Bundestag debattiert am Donnerstag auf Antrag der SPD über die Affäre.

Der Iran konterte auf die Maßnahmen der EG mit einer Retourkutsche und zog seine Botschafter aus den zwölf Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft ab. Nach Ansicht von Ministerpräsident Hussein Mussawi, der zu den Hardlinern in der Teheraner Führung zählt, wird der Mordbefehl gegen Rushdie „ohne Zweifel“ ausgeführt. Rushdies Werk sei ein „Komplott gegen eine Milliarde Moslems“. Seine Bestrafung habe nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Rushdie sei einfach „ein geistig und sexuell Kranker“.

Während die Rushdie-Affäre weiterhin hohe Wellen schlägt, hat der iranische Präsident Ali Chamenei seine erste Europareise angetreten und ist am Montag in Jugoslawien eingetroffen. Just an diesem Tag hatte die Parteizeitung 'Borba‘ mit der Veröffentlichung von Auszügen der Satanischen Verse begonnen. Allerdings wurde der Abdruck nach nur einem Tag wieder gestoppt. Wie Journalisten des Blattes mitteilten, seien zahlreiche Drohungen gegen die Zeitung und ihre Mitarbeiter eingegangen. Die offizielle Begründung für die Einstellung des Abdrucks lautete, der Übersetzer sei überraschend erkrankt.

bs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen