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Standbild: Perfekte Langeweile

■ Die weißen Zwerge

(Die weißen Zwerge, Dienstag, 21.2., 22.40 Uhr ZDF) Als „weiße Zwerge“ tituliert der Regisseur Dirk Schäfer die Protagonisten seines ersten Spielfilms, der beim Max-Ophüls -Festival in Saarbrücken den „Preis des saarländischen Ministerpräsidenten“ erhielt. Und damit die Hintergründigkeit des Titels auch schön in den Vordergrund gerückt wird, muß selbst die Fernsehansagerin Schäfers tiefsinnnige Definition wiedergeben: „Sterne, deren Inneres revoltiert...“

Leider revoltiert in seinem Film überhaupt nichts. Ramona (Nirit Sommerfeld) und Friedrich (Michael Schech) leben in Berlin. Er arbeitet als Koch, sie als Kassiererin. Unerbittlich wird Szene an Szene geschnitten: Sie an der Kasse, er in der Großküche. Er am häuslichen Herd, sie bei der Wäsche, beide im leidenschaftslosen Kuß im Bett. Anscheinend passiert nichts in ihrem Leben, tatsächlich aber liegt Ramonas Mutter krank in Paris, die Arbeitskollegin bräuchte Beistand bei einer persönlichen Krise, ein Umzug könnte Abwechslung versprechen... Aber Ramona interessiert das nicht, alles soll so bleiben, wie es ist, sie reagiert nicht auf ihre Umwelt und ist bei alledem ein wandelnder Vorwurf an ihr ereignislosen Leben.

Friedrich bemüht sich manchmal, sie mit kleinen Überraschungen zu erfreuen, doch da stößt er auf Granit. Dennoch glaubt er, daß sie beide füreinander geschaffen sind. Auch wenn jede Unternehmung mit Ramona zum Leichenbegängnis gerät. Monoton leiernde Stimmen, gequälte Mimik, Lebensunlust in höchster Potenz.

Friedrich stirbt. Plötzlich und schnell. Woran? Das ist das einzige Mysterium des biederen Machwerks, das sich den Inhalt zur Form genommen hat: Langeweile. Endlose, unbewegliche Einstellungen, abgegriffene Bilder, aus der vielzitierten Linie 1 heraus, in die typischen Hinterhöfe hinein. Das ist kein Film über die Alltäglichkeit, sondern Alltag, abgefilmt. Ist keine Milieustudie, sondern parzelliertes Leben, im Keim erstickt. Einmal dämmert es selbst dem Regisseur, daß seine Bilder nicht für sich sprechen: Da läßt er Ramona die Gebrauchsanweisung einer Backmischung laut vorlesen. Natürlich ist das ein Mittel, ihre Einsamkeit zum Ausdruck zu bringen, aber bestimmt das schlechteste. Allein die Sprechhaltung könnte man mit gutem Willen erstaunlich nennen: Sei es Dilettantismus oder Stilisierung, die beiden spulen ihren Text ab, schieben die Rollenbücher ungläubig vor die in Ausdruckslosigkeit erstarrten Körper und spielen ein perfektes Spiel mit der Langeweile. Langweilig perfekt.

Der Blick der Kamera ist immer einer von außen, nicht das Erleben der Eintönigkeit wird gezeigt, sondern das Eintönige an sich. Vielleicht will Dirk Schäfer ja aufrütteln, aber unversehens hat er sich selbst in den Frustgestus hineingesteigert und nimmt, wie seine Hauptfiguren, nur noch wahr, was zur vorgefaßten Meinung paßt. Lemuren zeigt er, mit müden Mitteln. Man ersehnt das Aufbegehren, die Unzufriedenheit. Aber hier ist nur Gleichgültigkeit. Die Welt ist fad, es lebe die Welt.

Petra Kohse

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