: Sri Lanka-betr.: "Sri Lanka: Gewehre gegen Stimmzettel", taz vom 14.2.89
betr.: „Sri Lanka: Gewehre gegen Stimmzettel“,
taz vom 14.2.89
Zunächst einmal habe ich mich gefreut, daß Ihr am 14.2.89 einen Bericht über Sri Lanka aufgenommen habt. Als politisch interessierter Touri habe ich dort im November/Dezember 1988 einiges von den Unruhen im Süden des Landes mitbekommen, dem Kampf zwischen einer marxistisch-leninistischen Untergrundorganisationen und der herrschenden United Nation Party (UNP). Zum Konflikt im Norden und Osten der Insel kann ich nichts sagen, aber über den Bürgerkrieg im Süden muß mensch einfach etwas schreiben, da selbst Ihr sehr fragliche Sachen darüber verbreitet.
Es ist einfach Blödsinn, die JVP (Volksbefreiungsfront) als „chauvinistisch“ zu bezeichnen. Bevor Ihr sowas von Euch gebt, solltet Ihr Euch die Mühe machen zu recherchieren. Die JVP ist eine Organisation, die sich an Marx und Lenin orientiert. Sie unternahm bereits 1971 den Versuch eines revolutionären Umsturzes. Von 1971 bis 1977 war sie verboten und arbeitete im Untergrund. Die UNP-Regierung, die 1977 an die Macht kam, erließ eine Amnestie für politische Häftlinge und ließ die JVP wieder zu, um sie 1983 erneut zu verbieten. Seither arbeitet die JVP wieder im Untergrund. AnhängerInnen rekrutiert sie vor allem aus der starken SchülerInnen- und StudentInnenbewegung, die einen revolutionären Wechsel in Sri Lanka für notwendig hält.
Es ist absoluter Nonsens, die Arbeit dieser Organisation auf die Ablehnung der Indian Peace Keeping Forces (IPKF), die seit 1987 im Land sind, zu reduzieren. Ihre Hauptforderungen - habe ich so von SympathisantInnen, AnhängerInnen und der dortigen Presse (schaut doch mal in die 'Sunday Times‘ vom 13.11.88) erfahren - sind:
1. Vertreibung der IPKF aus dem Norden des Landes, da die Inder nicht als „Friedensengel“ ins Land gekommen sind, sondern als imperialistischer Eindringling, der hauptsächlich an den Häfen Jaffna und Trincomalee gefallen findet. Natürlich richtet sich ihr Kampf auch gegen die Dollar-Imperialisten Japan, USA, BRD usw. Nennt Ihr das Chauvinismus?
2. Beseitigung des derzeitigen politischen Systems - eine Mischung aus kapitalistischer und feudaler Ausbeutung durch eine sozialistische Revolution nach sowjetischem beziehungsweise chinesischem Vorbild. Die letzten Regierungen haben es durch Korruption, sehr fragliche Planwirtschaft und ab 1977 Freie Marktwirtschaft geschafft die Auslandsverschuldung bis kurz vor den Staatsbankrott zu steigern, die Reichen immer reicher werden zu lassen und die Armen verhungern zu lassen.
Der Kampf der JVP ist also ein Kampf gegen eine korrupte Regierung, das kapitalistische System und die imperialistische Ausbeutung. Ob die JVP in diesem Kampf den richtigen Weg wählt - Erschießung von Abgeordneten, StaatsbeamtInnen und StreikbrecherInnen -, kann ich als Westeuropäer nicht beurteilen. In Sri Lanka habe ich dazu verschiedene Auffassungen gehört. Die eine Seite meint, daß der bewaffnete Kampf die Situation nur noch verschlechtert insbesondere im Tourismusgewerbe; die andere Seite vertritt die Ansicht, daß dieser Kampf schon längst überfällig ist, weil Sri Lanka sonst keine Zukunft mehr hat. Warum, frage ich mich, schweigen diese Stimmen im taz-Bericht.
Ich will den revolutionären Kampf nicht als die Lösung für Sri Lanka anpreisen, dazu habe ich zuviel Angst, Leid und Tod in diesem Land gesehen. Ich meine aber, daß Euer Bericht nie zu den Wurzeln des Konflikts wie Hunger, ausländische Wirtschaftsinteressen und hohe Arbeitslosigkeit vordringt und daß er viele Aspekte des Bürgerkriegs verschweigt, was einen Einblick, von Verständnis will ich gar nicht schreiben, in die Situation in Sri Lanka unmöglich macht. (...)
Michael Ziegler, Reichenau 2
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