Südafrikas Goldstrumpf in Europa

Um künftigen Sanktionen vorzubeugen, kauft sich Südafrikas Gold- und Diamantenkönig Oppenheimer an der Londoner Börse ein: „Anglo-Corporation“ übernimmt die Nummer zwei im Goldgeschäft, „Cons Gold“ / London und Brüssel haben keine Bedenken gegen die Entstehung eines Gold- und Titanmonopols unter südafrikanischer Leitung  ■  Aus London Rolf Paasch

Die ganze Geschichte gleicht einem Kolonialroman aus dem 19. Jahrhundert, den Hollywood nun in eine zeitgemäße Fernsehserie nach dem Muster von Dallas oder Dynasty verwandelt hat. Zwei auf den selben Gründer zurückgehende Familienbetriebe, die längst zu internationalen Geschäftsimperien herangewachsen sind, bekämpfen sich an der Londoner Börse bis aufs Messer. Die Erzrivalen sind Goldrivalen. Der beinahe legendäre Erbe eines dieser Familienclans heuert einen erprobten „hitman“ an, um den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen und sich anschließend dessen Besitzungen anzueignen. Verschachtelte Querbeteiligungen, versteckte Aktienanteile und eine ganze Reihe von Zwischenholdings und Strohfirmen bieten reichlichen Raum für Intrigen und byzantinische Ränkeschmiede zwischen den Figuren, die sich aus den zahlreichen Aufsichtsratskämpfen seit Jahren wie Intimfeinde kennen. Und im Hintergrund bringen die schwarzen Arbeiter aus den südafrikanischen shanty towns unter Einsatz ihres Lebens jenen Mineralienreichtum ans Tageslicht, ohne den das vielschichtige Drama zwischen Johannesburg, New York, London und Brüssel überhaupt nicht stattfinden könnte.

Daß sich sein Versuch, mit dem britischen Bergbaukonzern Consolidated Gold Fields (Cons Gold) auch noch den zweitgrößten Goldproduzenten der westlichen Welt zu übernehmen, so lange hinziehen würde, das hätte sich Harry Oppenheimer, die greise Eminenz hinter der südafrikanischen Anglo-American- Gruppe (Anglo) vorher auch nicht träumen lassen. Denn zumindest daheim im Apartheidstaat geht in der Regel alles, was Anglo will. Doch erst jetzt, neun Jahre nachdem die damals noch auf den Bermudas angesiedelte Anglo -Holding Minorco in einem Börsenüberfall 30 Prozent der Aktien des begehrten Cons Gold-Konzerns erbeutet hatte, scheint für Minorco endlich der Weg frei, sich die britische Bergbaugruppe mit ihren weitverzeigten Interessen in Südafrika, Australien und den USA ganz einzuverleiben.

Die Affen als Wettbewerbshüter

Denn trotz heftiger Proteste durch das Cons Gold -Management, die britische Labour-Party und die Anti Apartheidbewegung hatte die Regierung Thatcher das südafrikanische Kapital bereits zu Beginn dieses Monats willkommen geheißen. Mit seiner Entscheidung, die Übernahme von Cons Gold durch Minorco zu genehmigen, war der britische Handels- und Industrieminister Lord Young seiner Monopolkommission gefolgt, die ihre dreimonatige Analyse möglicher Wettbewerbsverzerrungen nach der bekannten Methode der drei Affen durchführte: obwohl Anglo nach der Übernahme von Cons Gold ein Drittel der Goldproduktion der westlichen Welt und zusammen mit der ebenfalls südafrikanischen Bergwerks-Gruppe Gencor 67 Prozent der Zirkon-und 54 Prozent der Titanproduktion kontrollieren würde, sahen die „Monopol-Primaten“ keine Wettbewerbsbeschränkungen im Handel mit diesen hochwertigen und strategisch wichtigen Rohstoffen. Sie rochen nicht einmal die in den Wettbewerbshimmel stinkende Kontrolle der Platinproduktion durch Anglo (zusammen mit Gencor 87 Prozent). Und auch von einer Schädigung des „öffentlichen Interesses Großbritanniens“ durch den Zustrom südafrikanischen Kapitals nach London, wollten sie nichts hören.

Ähnlich desinteressiert verhielten sich auch die Wettbewerbshüter in Brüssel. Die EG-Kommission erklärte am vergangenen Freitag, sie werde gegen eine Übernahme von Cons Gold durch Minorco keinen Einspruch erheben. Immerhin verpflichtete sie die inzwischen von Luxemburg aus operierende Holding der Anglo-Gruppe zum Verkauf der Platinummine Northam, die zu den beträchtlichen Interessen von Cons Gold in Südafrika zählt.

Außerdem kündigte der zuständige EG-Kommissar Leon Brittan eine grundsätzliche Untersuchung der Preispolitik auf dem europäischen Platin-Markt an. Im Gegensatz zu ihren britischen Kollegen war den Brüsseler Kartellwächtern aufgefallen, daß südafrikanische Unternehmen über ihre Kontrolle des Platin-Marktes die Preise für die Katalysatoren von Personenwagen beeinflußen könnten.

Die List der Patriarchen

Nach dieser Entscheidung aus Brüssel hat Minorco am Montag ihr Übernahmeangebot - das wegen des in der Zwischenzeit angestiegenen Preises der Cons Gold-Aktien auf mindestens 3,2 Milliarden erhöht werden mußte, erneuert. Sollten nicht noch die von Cons Gold angerufenen US -Gerichte aufgrund der ebenfalls tangierten amerikanischen Kartellgesetze Einspruch erheben, dann hätte sich die Ernennung von Sir Michael Edwardes zum Geschäftsführer von Minorco bezahlt gemacht. Obwohl sich der 80jährige Harry Oppenheimer bereits 1984 aus dem Aufsichtsrat und den Alltagsgeschäften von Anglo zurückgezogen hatte, war es der Gold- und Diamantenpatriarch höchstpersönlich gewesen, der im September 1988 den 58jährigen Südafrikaner an die Spitze von Minorco gesetzt hatte, um die umstrittene Übernahme von Cons Gold durchzuführen.

Edwardes, der sich durch die brutale Disziplinierung der Gewerkschaften beim Autoproduzenten British Leyland in den 70er Jahren einen Namen gemacht hatte, sollte die Investmentholding von einer passiven Verwaltungsgesellschaft für die verschiedenen Anglo-Beteiligungen an Chemie-, Mettallurgie-, Kohle-, Öl- und Finanzgesellschaften in ein aggressives Instrument für die zukünftige Expansionsstrategie des Oppenheimer-Empires in Übersee verwandeln.

Sein erster Schachzug war eine Übernahmekonstruktion, nach der sich die 60prozentige Beteiligung von Anglo und ihrer Diamantentochter De Beers an Minorco nach der Fusion mit Cons Gold durch eine Kapitalerhöhung auf 40 Prozent reduzieren sollte. Doch es dauerte nicht lange, bis herauskam, daß Anglo über Minderheitsbeteiligungen an unscheinbaren Investmentfirmen auch nach der Übernahme von Cons Gold noch knapp 50 Prozent der Minorco-Aktien kontrollieren wird. „Wenn ich von Kontrolle rede“, so hatte Harry Oppenheimer schon vor 20 Jahren seine Geschäftsphilosophie in einem Satz zusammengefaßt, „dann meine ich nicht notwendigerweise 50 Prozent.“

Immun gegen Sanktionen

„Der Übernahmeversuch Minorco ist“, so schreibt das britische Wirtschaftsmagazin 'The Economist‘ im Klartext, „Teil einer Strategie großer südafrikanischer Unternehmen, im Ausland Investment-Firmen zu gründen, durch dann die ausländischen Tochter-Firmen indirekt kontrolliert werden können. Auf diese Weise hoffen sie, auch nach der Verhängung von Sanktionen ihre Besitzungen im Ausland sowie den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten absichern zu können.“

Darüber hinaus, so erklärt Stuart Bell von der Anti -Apartheidorganisation „End Loans to South Africa“ werde Anglo mit Cons Gold ein profitables Unternehmen erwerben, das in der Londoner City und in britischen Regierungskreisen hohen Ansehen und großen Einfluß besitze. Cons Gold war aufgrund seiner Interessen in Südafrika bisher das wohl prominenteste Mitglied der britischen Anti -Sanktionslobby gewesen, die Frau Thatcher bisher erfolgreich in ihrem Widerstand gegen die Verhängung von Sanktionen bestärken konnte.

In ihrer Kampagne gegen weitere südafrikanischer Investitionen in Großbritannien (derzeit sind es 2,7 Milliarden Pfund) verteidigt die britische Anti -Apartheidbewegung mit Cons Gold ausgerechnet ein Unternehmen, dessen südafrikanische Tochtergesellschaft Gold Fields of South Africa (GFSA) die schwarzen Bergleute noch unmenschlicher behandelt als die konkurrierende Anglo-Gruppe. Während das Oppenheimer -Empire seit fünf Jahren schwarze Gewerkschaften zuläßt, versucht GFSA in ihren Bergwerken weiterhin jede gewerkschaftliche Organisation zu unterdrücken. Bei Arbeitsbedingungen, in der die Löhne der Schwarzen durchschnittlich ein Fünftel des Verdienstes der weißen Arbeiter ausmachen, ihre Sterblichkeitsrate jedoch um das Zweieinhalbfache über der der weißen Arbeiter liegt, ist Anglo für die schwarzen Minenarbeiter immer noch der „bessere“ Arbeitgeber.

Vermutlich aus dem Bewußtsein heraus, daß sich die Bedingungen für eine so drastische wie profitable Ausbeutung menschlicher Ressourcen nicht mehr allzu lange aufrechterhalten lassen, hat Anglo nun für den Fall von Sanktionen oder gar den Zusammenbruch der weißen Herrschaft im Apartheidstaat vorgesorgt. Wenn Minorco, wie es eine britische Zeitung ausdrückte, „die Familienversicherung der Oppenheimer-Dynastie“ für unruhige Zeiten darstellt, dann dürfte die mit der geplanten Fusion einhergehende Verdopplung südafrikanischer Investitionen in der EG einem ersten Schritt zum Aufbau einer Art Pensionskasse für das weiße, liberale Südafrika in Europa gleichkommen. Statt wie bisher immer nur den fiktiven Abenteuern des Ölmagnaten J.R. aus der US-Fernsehserie Dallas am Bildschirm zuschauen zu müssen, wird Europa von nun an die realen Abenteuer des südafrikanischen Gold- und Diamanten-Magnaten Harry F. Oppenheimer an der Börse verfolgen können.